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Die US-Wirtschaft vor den Wahlen

Die größte Überraschung in diesem Jahr auf den Finanzmärkten ist es, dass die Inflation anhält. Haben die Investoren noch nicht lange her auf 4 Zinssenkungen durch die Fed in diesem Jahr gehofft, sind es nur 3 und zwar deutlich zeitlich verschoben. Das untermauert die von uns oft zum Ausdruck gebrachte These, dass die Zentralbanken die aktuelle Inflationsdynamik nicht vollständig verstehen. Die Indikatoren deuten darauf hin, dass Teile der Wirtschaft, wie z. B. der Immobiliensektor und die Automobilbranche, mit den hohen Zinsen zu kämpfen haben, während andere Wirtschaftszweige, wie z. B. die Rüstungsindustrie, die Halbleiterindustrie, die KI-Branche und die Herstellung von Medikamenten gegen Fettleibigkeit, einen Boom erleben. Nach der Pandemie, dank neuer IT-Technologien und dem Krieg in der Ukraine zufolge entstand also die Wirtschaft zweier Geschwindigkeiten, wo die Geldpolitik erschwert ist, da die Unterstützung der schwachen Teile der Wirtschaft mit einer anhaltenden Inflation einhergehen kann, die für Unternehmen kostspieliger ist.

Die Investoren versuchen aus den Aussagen der Fed, die Höhe der künftigen Zinssätze (also wie viel das Geld – die Kredite – in der Zukunft die Unternehmen kosten wird) herauszulesen. Oft ist es so: Je schlimmer die Situation in der Wirtschaft, desto höher steigen die Kurse der Aktien, da die Investoren darauf hoffen, dass in der Reaktion auf schwache Wirtschaftsdaten, die Fed die Zinssätze senken wird, um die Wirtschaft anzukurbeln. Gerade gestern (am 3. Juli 2024) hatten wir ein Beispiel dafür: der  ISM-Index für den Dienstleistungssektor ist eingebrochen und – ohne Berücksichtigung der Covid-19-Pandemie – auf den niedrigsten Stand seit fast 15 Jahren gefallen. Und Wall Street erreichte in Reaktion darauf ihre Rekordhochs.

Die Investoren glauben also, dass diese Wirtschaft zweier Geschwindigkeiten weiter funktionieren wird. Währenddessen sind die Steuerausgaben in den USA langfristig nicht tragbar  und die aktuellen Renditen für Staatsanleihen erhöhen die Staatsausgaben im Zusammenhang mit der Verschuldung, wodurch Mittel für Wohlfahrt der Bürger und Infrastruktur wegfallen. Die US-Regierung muss sich mit dem Risiko einer Abkühlung der Wirtschaft auseinandersetzen oder riskieren, die Inflation länger hoch laufen zu lassen. Das Szenario ist also: Egal, ob Demokraten oder Republikaner gewinnen, werden sie die Ausgaben (sprich: Inflation) erhöhen müssen, was die Fed dazu veranlassen wird, die Zinssätze vielleicht noch zu erhöhen.

Die Investoren müssen verstehen, dass der echte Killer für die Aktien die Rezession ist, nicht die Inflation. Ja, ich weiß es, dass die Beispiele, wie etwa das Verhalten der Aktienmärkte in der Türkei oder in Argentinien, deutlich zeigen, dass eine hohe Inflation auf lange Sicht kein besonderes Problem für Aktien darstellten muss. Doch es kommt eines Tages der Moment: Auch die Großunternehmen sind nicht im Stande angesichts der teuren Kredite, hohen Steuern und Löhne noch höhere Gewinne zu erarbeiten. An diesem Tag wird es sich nicht mehr lohnen, in die Aktien das Geld zu stecken. Auch in den USA.

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