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Eine politische Entscheidung deutschen S&P-Analysten richtet sich gegen neue polnische Staatsführung

Die Ratingagentur Standard and Poor’s, bekannt wegen ihrer kontroversen Entscheidungen, schlug diesmal auf einer Hysterie-Welle, angetrieben durch europäische Medien, gegen Polen. Konkret machte das ein deutscher S&P-Analyst, der zur Senkung des Rating von Polen vom Niveau A- auf BBB+ führte, obwohl dies durch wirtschaftliche Kennzahlen nicht gerechtfertigt ist.

Die Agentur gibt offiziell zu, dass sich eine Änderung der Bewertung von der Zahlungsfähigkeit Polens aus einem angeblich unfreundlichen politischen Klima ergibt. Dieses ist besonders für den Finanzsektor und Banken ungünstig, die nach einem neulich verabschiedeten Gesetz eine neue Steuer an den Haushalt abführen müssen. Die Ratingsenkung bezweckt, die Handlungen der polnischen Regierung, welche nunmehr die Schulden zu den für sich schlechteren Bedingungen aufnehmen und Schwierigkeiten bei der Umsetzung weiterer Wahlversprechen haben wird, zu zügeln.

Freitagnachmittag (15.01.) unterschrieb der Staatspräsident Andrzej Duda das Bankenabgabengesetz, gemäß welchem ab Februar 2016 Banken, Versicherungsfirmen und andere Finanzinstituten an den Haushalt 0,44 Prozent vom Wert ihrer Aktiva werden abführen müssen. Am selben Tag, einige Stunden früher, stellte der Präsident auch ein Gesetzesentwurf zur Hilfe für „Franken-Verschuldete“, also Personen, die Kredite im Schweizer Franken aufgenommen und zurzeit nach Befreiung seines Wechselkurses Probleme haben, dar. Die rechtsorientierten Medien in Polen suggerieren, dass die Ratingsenkung eine Antwort des Finanzsektors auf Handlungen der polnischen Staatsbehörden sei.

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S&P verbirgt nicht, dass sie die Entscheidung wegen der politischen Lage im Lande traf. Es wurde jedoch nicht klargestellt, wie sich die Änderungen beim Verfassungsgerichtshof und die Machtübernahme bei öffentlichen Medien (wohlgemerkt kontroverse Handlungen) direkt auf die Rentabilität der Staatsanleihen auswirken sollten. Man könnte eher zur fiskalen Lage Bedenken haben. Der Haushalt kann ja die Umsetzung populistischer Wahlversprechen, wie die Senkung des Renteneintrittsalters, nicht aushalten, obwohl der Finanzminister Paweł Szałamacha alles Mögliche macht, um sozialistische Neigungen der Parteiführer mit der wirtschaftlichen Realität zu vereinbaren, indem solche Reformen auf weitere Jahre verschoben werden.

Für die Ratingsenkung ist der deutsche S&P-Analyst Felix Winnekens, der für Mitteleuropa zuständig ist, größtenteils verantwortlich. Es ist kein Geheimnis, dass die deutsche politische Szene und deutsche Medien besonders, gegenüber der neuen polnischen Führung nicht wohlgeneigt sind. Polnische und deutsche Politiker trugen in vergangenen Wochen viele Wortgefechte, in welchen Bezüge auf Nazi-Erbschaft und Rufe nach Auferlegung der Sanktionen für den Staatsstreich nicht fehlten, aus.

Sogar Donald Tusk, der aktuelle Präsident des Europäischen Rates und davor polnischer Ministerpräsident, der politische Feind Nummer eins der zurzeit regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), wies die Schuld für das entstellte Bild der Lage in Polen den westlichen Medien zu. Winnekens glaubte höchstwahrscheinlich, dass die Demokratie in Polen gefährdet sei und die Zentralbank bald ihre Unabhängigkeit verlieren könne, obwohl noch am Donnerstag, dem 14.01., der Präsident der NBP (Nationalbank Polens) Marek Belka versicherte, dass sich der schwache Wechselkurs des Zloty aus globalen Umständen ergibt und die damals noch stabile Situation auf dem Staatsanleihenmarkt bestätigte, dass es um die Wirtschaft gut bestellt sei. Leider sprintete nach der Entscheidung der S&P die Rentabilität der polnischen Staatsanleihen nach Norden, was sogar der Präsident Belka hätte nicht vorhersehen können.

Er hätte es gar nicht können, weil die Entscheidung gegen die geläufigen Standards getroffen wurde. Die Agentur diskutierte die Lage mit den Staatsbehörden nicht hinreichend durch 1, sie gab keine Chancen für den Rückzug und entschied sich für den Ratingwechsel ohne vorherigen Prognose-Wechsel von positiv gegen negativ, was man gewöhnlich in erster Linie tut. Zwei sonstige Hauptratingagenturen, Fitch und Moody’s, fanden keine Gründe, den Rating vom Niveau A- und A2 zu senken und sie verschlechterten nicht einmal die Prognose, indem sie die Note „stabil” aufrechterhielten.

S&P war bereits in der Vergangenheit wegen unzuverlässiger Risikobewertung berüchtigt. Im Jahre 2008 trug sie zur Finanzkrise bei, indem sie Kunden bezüglich der finanziellen Glaubwürdigkeit der Lehman Brothers und CDO-Instrumente irreführte, wofür sie 2015 den USA-Behörden einen Schadenersatz in Höhe von 1,5 Mrd. Dollar hatte auszahlen müssen. Die Agentur setzte auch den Franzosen zu, indem sie ihren Rating 2013 senkte; den Iren durch das Eingreifen in ihre Innenangelegenheiten und auch den Russen, nach deren Meinung die Senkung ihres Ratings ein politischer Akt war, durch amerikanische Führung gesteuert2. Von der S&P bekam auch Viktor Orban, großer Verbündeter Polens und Vorbild für Jarosław Kaczyński, ab, der mit einem sehr schwachen Rating Ungarns trotz eines beachtlichen Wirtschaftswachstums fertig werden musste.

In allem Schlechten steckt etwas Gutes. Der Zloty wurde infolge der S&P-Entscheidung drastisch schwächer, was für polnischen Export günstig ist. Es sieht so aus, dass Polen zum ersten Mal in der modernen Geschichte einen Überschuss auf dem Außenhandelskonto verbuchen wird. Der billigere Zloty ist ein Vorteil für polnische Exporteure und Verlust für Importeure. Ausländische Unternehmer, darunter auch deutsche, haben dann mehr Probleme, ihre Produkte in Polen zu verkaufen.

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Fakten betreffend S&P:

  • sie senkte den Rating bei einer positiven Prognose, was nur selten vorkommt, bspw. bei dramatischen und schockierenden Ereignissen;

  • sie senkte den Rating, ohne die Bewertung jeweiliger Ratingfaktoren abzuändern, hierbei institutionelle Faktoren, auf welche es im Gutachten hingewiesen wurde;

  • es wurde angedeutet, dass die Unabhängigkeit durch die Zentralbank verloren werden könne, obwohl die Geldpolitik im Bericht als starker Punkt der Wirtschaft bewertet wurde;

  • wenn das politische Klima und institutionelles Risiko in Polen hoch seien, warum bleiben dann die Ratings von China, Hongkong, Saudi-Arabien und Katar auf einem höheren Niveau?

  • das Haushaltsdefizit Polens soll 2016 nach S&P 3,2% des BIP betragen, während das Defizit von Saudi-Arabien 2015 100 Mrd. Dollar, also 15% des BIP betrug;

  • die Staatsverschuldung Polens beträgt 50% des BIP, während sie bei demselben Ratingniveau Italiens 130% hoch ist.

Quelle:

1. Incomprehensible decision of one of the rating agencies Source: Ministry of Finance 2016-01-15
2. Russia: S&P downgrade was ‘on Washington’s orders’ Source: DW 2015-01-27

 


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