Die meisten Wirtschaftswissenschaftler sind entzückt über die Situation auf dem Arbeitsmarkt der größten Wirtschaft der Welt und wollen von der Vision einer Rezession kaum hören. Sie glauben, dass die niedrige Arbeitslosenrate unter 4% (und solche gibt es schon seit gut einem Jahr) und ein anhaltender Anstieg der neuen Arbeitsplätze von der Kraft der Wirtschaft zeugen.
Ihr weiterer Grund zur Freude: so eine niedrige Arbeitslosigkeit wurde bei einer mäßigen Verschuldung der Haushalte erreicht. Es solle, so behaupten die Wirtschaftswissenschaftler, den Optimismus der meisten Verbraucher weiterhin fördern und sie zum Konsum anspornen. Bis die Verbraucher in die Euphorie der Ausgaben verfallen, (diese war immer ein Vorbote einer Krise oder einer Rezession), seien also noch ein paar Quartale des Anstiegs des Konsums vor uns. Der Anstieg werde laut ihnen nicht aus den steigenden Gehältern resultieren, da bei solchen Niveaus Gehaltserhöhungen nur im mäßigen Tempo möglich seien, sondern aus der steigenden Verschuldung der Haushalte, die in solchem wirtschaftlichen Umfeld willig sein würden, Kredite zu nehmen.
Wenn man die letzten Wirtschaftsdaten tiefer analysiert, gibt es jedoch schon erste Warnzeichen, dass in den USA nicht alles so rosa aussieht. Erstens: im ersten Quartal dieses Jahres betrug die Zahl der Entlassungen 190 000 und war um 35% höher als vor einem Jahr.1)United States Challenger Job Cuts, Trading Economics.Es war also das schlimmste Quartal seit 10 Jahren. Der Arbeitsmarkt in den USA ist viel flexibler als in Europa, wodurch die Wirtschaft leichter aus den Krisen herauskommt, doch gleichzeitig sorgt es dafür, dass die Reduktion der Arbeitsplätze am Ende eines Wirtschaftszyklus viel abrupter als auf dem alten Kontinent abläuft, was auf die Stimmungen der Verbraucher sofort übertragen wird. Zweitens: Zweifel weckt auch die Altersstruktur des Anstiegs der Arbeitsplätze seit der letzten Krise.
Der größte Nutznießer des Wachstums war die Generation der sogenannten Babyboomers (über 55 Jahre alt), da die Beschäftigungsquote in dieser Gruppe in den letzten 10 Jahren um 36,3% anstieg und die Arbeitslosenquote nur 2,7% beträgt. Es ist jedoch nicht die Altersgruppe, die sich so gerne verschuldet. Diese Menschen wurden tätig, da sie aus der vorherigen Krise gelernt haben, dass ihre Ersparnisse (wenn man ihre Verschuldung mitrechnet) nicht ausreichen werden, um in der Rente über die Runden zu kommen. Sie werden also den Konsum nicht weiterhin ankurbeln, da sie nicht willig sein werden, weitere Kredite zu nehmen. Außerdem sind wohl die guten Zeiten für die Altersgruppe auch vorbei, da im März dieses Jahres ihre Beschäftigungsquote abrupt sank – um 209 000 (der höchste Abstieg seit 2015).2)Americans over 55 suddenly losing jobs at fastest pace in 4 years, CNBC 2019-04-05.
Drittens: die Altersgruppe zwischen 40 und 54, die meistens eine hohe Kreditwürdigkeit besitzt, genoss den Anstieg in den letzten 10 Jahren hingegen nicht, da die Zahl der Beschäftigten in dieser Gruppe um 4% sank. Es hängt natürlich auch mit den demographischen Entwicklungen in den USA zusammen, mit der schrumpfenden weißen Bevölkerung.
Diese Spaltung auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt erfüllt gerade nicht mit Optimismus. Kein Grund zum Optimismus bringen auch andere Daten, wie etwa die Struktur der Arbeitslosigkeit. Arbeitslos sind nämlich, zwar nur 3,4 der Weißen und nur 3,1 der Asiaten, aber 12,8% aller Jugendlichen und 6,7% der Schwarzen und 4,7% der Latinos.3)US Jobless Rate Holds Steady at 3.8%, Trading Economics 2019 März.Wird der Austausch der weißen Bevölkerung durch Schwarze und Latinos fortgesetzt, wird der Verbrauch nicht angekurbelt, da die genannten Bevölkerungsgruppen von den Transfers leben. Wenn die Regierung keine Maßnahmen treffen wird, die zur Steigerung der Fruchtbarkeitsrate der weißen Frauen beitragen werden, ist der Arbeitsmarkt nicht mehr zu retten.
Mittelschicht verschwindet
Zur einer positiven Schilderung der wirtschaftlichen Situation in den USA berechtigt auch nicht ein Prozess wachsender Ungleichheit und stagnierender Einkommen im Mittelstand. Das inflationsbereinigte mittlere Jahreseinkommen von Vollzeit arbeitenden Männern von durchschnittlich 54 030 Dollar im Jahr 1973 auf 51 640 Dollar im Jahr 2016 sanken. Den Prozess der Verarmung der tragenden Schicht der Gesellschaft veranschaulicht besser das Schaubild mit lebenslangen durchschnittlichen Arbeitseinkommen.
Gemäß einer amerikanischen Studie4)Lifetime Incomes in the United States over Six Decades, Guvenen, Kaplan, 2017-04-21.verdiente ein Mann, der im Jahr 1967 im Alter von 25 Jahren zu arbeiten begann, bis zu seinem 55. Altersjahr rund 250 000 US-Dollars mehr als ein Mann, der 1982 im Alter von 25 Jahren ins Erwerbsleben eintrat und dieselbe Karriere durchlief. Die Kaufkraft der Amerikaner aus der Mittelschicht sinkt kontinuierlich bis heute, auch unter Berücksichtigung der Inflation. Der vorübergehende Anstieg der Haushaltseinkommen in der letzten Zeit ist kein Anzeichen der Verbesserung der Lage, sondern ein Resultat des Übergangs zur Vollzeitarbeit. Im Jahr 2016 beispielsweise seien rund 2,2 Millionen Erwachsene mehr als im Jahr zuvor einer Vollzeitstelle nachgegangen. Soziale Ungleichheit nimmt also in Amerika zu. Für vier von fünf US-Amerikanern gebe es keine reale Zunahme mehr. Der Niedergang der produktivsten Schicht der amerikanischen Gesellschaft wird die nächste Krise herbeiführen, als es sich die Mainstream-Ökonomen vorstellen.
References
1. | ↑ | United States Challenger Job Cuts, Trading Economics. |
2. | ↑ | Americans over 55 suddenly losing jobs at fastest pace in 4 years, CNBC 2019-04-05. |
3. | ↑ | US Jobless Rate Holds Steady at 3.8%, Trading Economics 2019 März. |
4. | ↑ | Lifetime Incomes in the United States over Six Decades, Guvenen, Kaplan, 2017-04-21. |