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Die BBC fragt, Putin antwortet

Zum Abschluss des BRICS-Gipfels, der dieses Jahr vom 22. bis 24. Oktober in Kasan (Russland) stattfand, stellte sich der russische Präsident Wladimir Putin, wie es seine Gewohnheit ist, den Fragen der Journalisten. Eine dieser Fragen wurde von einem BBC-Korrespondenten gestellt. Der BBC-Journalist fragte den russischen Staatschef, ob er nicht eine Diskrepanz zwischen dem, was Russland anstrebt – nämlich seine eigene und die internationale Sicherheit, Stabilität und Gerechtigkeit – und dem, was Russland als Ergebnis seiner Politik erntet – nämlich ukrainische Drohnen über seinem eigenen Territorium oder die Beschießung russischer Städte durch ukrainische Artillerie – sehe. Derselbe Journalist fragte auch, ob Wladimir Putin den Bericht der britischen Geheimdienste bestätigen könne, dass der Kreml hinter den sozialen Unruhen im Vereinigten Königreich stecke. Putins Antwort war vielseitig und erschöpfend:

Ja, Russland wurde nicht vor 2022 bombardiert, aber vor diesem Datum hatte Russland etwas viel Schlimmeres erlebt. Russland wurde vom Westen ignoriert, der versuchte, Russland den Status eines halb unabhängigen Landes zuzuweisen, das lediglich Ressourcen liefert. Vor 2022 sei Russland dazu verdammt, sich in die Abhängigkeit des Westens zu begeben. Es liege auf der Hand, dass das Land unter diesen Umständen nicht hoffen konnte, zu gedeihen, sich zu entwickeln und auf Dauer überhaupt zu existieren. Der Westen respektierte Russlands Interessen, Russlands Traditionen, alles Russische nicht.

Was die Gerechtigkeit angeht, so der russische Präsident weiter, tue der Westen alles, um die Welt unter verschiedenen Vorwänden auszubeuten. Einer davon sei die Zeit der Pandemie gewesen, in der sowohl die Vereinigten Staaten als auch die Europäische Union Milliarden ihrer jeweiligen Währungen druckten, mit denen sie riesige Mengen an Nahrungsmitteln aufkauften und eine weltweite Inflation verursachten. Indem sie die Weltmärkte mit Milliarden zusätzlicher Dollars und Euros überschwemmten, war der Westen in der Lage, viel mehr zu konsumieren als er produzierte, viel mehr als der Rest der Welt. Der andere Vorwand sei natürlich die Ökologie. Der Westen verlangt, dass die mit fossilen Brennstoffen erzeugte Energie reduziert wird, was im Namen des Klimaschutzes geschieht. Das möge ein nobles Ziel sein, aber die afrikanischen und einige asiatische Länder könnten es sich nicht leisten, auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Um dies zu tun, d. h. um moderne Technologien der Energieerzeugung zu nutzen, müssten sie Kredite aufnehmen, die der Westen nur mit sehr hohen Zinsen anbietet. Praktisch gesehen mache ein solches Vorgehen des Westens aus den ehemaligen afrikanischen Kolonien moderne Kolonien.  Ist das die Gerechtigkeit, die der BBC-Journalist meinte? 

War es gerecht, die Forderung Russlands, dass die Ukraine nicht Mitglied der NATO wird, nicht zu respektieren? War es gerecht von Seiten des Westens, Abkommen mit Russland zu schließen, mit der Absicht, sie zu brechen? War es gerecht, Russlands Unterleib – die Ukraine – nicht nur gegen Russland aufzubringen, sondern dort sogar Militärbasen zu errichten? War es gerecht, den Staatsstreich in der Ukraine zu vollziehen? Dies seien eklatante Ungerechtigkeiten, und Russland will und wird sie ändern.

Zur Behauptung der britischen Geheimdienste, Russland säe angeblich Zwietracht in der britischen Gesellschaft und stecke hinter den Unruhen auf den Straßen, sagte Präsident Putin, die im Westen zu beobachtenden sozialen Unruhen seien eine direkte Folge der Politik der westlichen Regierungen, die die wirtschaftlichen Bedingungen in ihren Ländern aufgrund von Sanktionen und des Verzichts auf Russlands billige Ressourcen verschlechtert hätten. Was hat Russland mit all dem zu tun? – fragte der russische Staatschef. 

Es wurden interessante Punkte angesprochen. Es könnte durchaus sein, dass die Russen Unruhen in den westlichen Gesellschaften schüren. Ist das eine Überraschung? Es wäre verblüffend, wenn Russland nicht versuchen würde, den Westen mit gleicher Münze heimzuzahlen. Die Vergeltung könnte sogar noch schmerzhafter ausfallen.

Was die Inflation und die Beraubung der Welt durch das Drucken von Geld angeht, so arbeiten die BRICS-Länder genau aus diesem Grund zusammen und versuchen, ein paralleles Finanzsystem zu schaffen. Sie sind seit langem Opfer finanzieller Machenschaften, und sie haben den Mechanismus, durch eine von ausländischen Mächten verursachte Inflation ausgeraubt zu werden, längst erkannt. Wenn die Zentralbanken Indiens oder Brasiliens viel mehr Geld ausgeben als gerechtfertigt ist, trifft die daraus resultierende Inflation sie direkt, einige andere Länder indirekt und wieder andere gar nicht. Wenn jedoch die Vereinigten Staaten mehr Dollar ausgeben, trifft die daraus resultierende Inflation den ganzen Globus, einfach weil der Dollar die globale internationale Währung ist. So lösen die Vereinigten Staaten ihre wirtschaftlichen Probleme und belasten den Rest der Welt. Dies ist übrigens der Punkt, den Präsident Putin in seinen Reden oder Interviews immer wieder angesprochen hat.

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