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Donald Trump: der nächste Neokonservative oder endlich ein Realist?

Für viele ist der neue Präsident der USA kontrovers. Seine entschiedenen Äußerungen darüber, dass Geschäfte Amerikas für ihn über alles stehen, verunsichern seine Verbündeten. Doch gleichzeitig stützt er sich bisher bei seinen Entscheidungen nicht auf Ideen. Die Welt macht sich Gedanken darüber, ob Donald Trump die neokonservative Politik von George W. Bush fortsetzen wird, oder aber selbst seinen eigenen Standpunkt entwickelt, der auf dem Realismus stützt. Für alle wäre die zweite Variante besser…

Die beiden Strömungen stehen auf ganz verschiedenen Standpunkten. Zwar betonen beide den Vorrang der nationalen Interessen, aber die Neokonservativen richten sich lieber nach einer Reihe von idealistischen Überzeugungen. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, dass die USA die Rolle des „Welt-Sheriffs” spielen sollen, der die Ordnung garantiert, wenn ein Staat die internationalen Regeln verletzt. Sie gehen davon aus, dass Amerika stets seine Macht zeigen soll, um sich Respekt zu verschaffen. So wie die liberalen Habichte greifen sie in verschiedenen Ecken der Welt ein, auch da, wo Washington nichts zu gewinnen hat.

Die Realisten sind der Ansicht, dass im Interesse der USA liegt, die Bedrohungen auszugleichen und die Aufrechterhaltung der eigenen Macht anzustreben. Im Gegenteil zu den Neokonservativen gehen sie davon aus, dass man Gelegenheit nutzen soll, wenn die Einflusszone zu erweitern ist, überall, wo es möglich ist, und gelichzeitig, dass die sinnlosen Interventionen, die aus ethischen Bewegungsgründen durchgeführt werden, aufgegeben werden sollen. Im Allgemeinen unterscheiden sich beide Anschauungen darin, dass laut Realisten der Frieden durch die Vermeidung der unnötigen Konflikte zu erreichen sei, und dass laut der anderen Doktrin die Welt nach der eigenen Vorstellung und mit allen zugänglichen Mitteln zu gestalten sei.1)The Neocons vs. The Realists, The National Interest 2008.

Schon während seines Wahlkampfs versuchte Trump seine Politik als realistisch darzustellen. Er kritisierte damals die im Nahen Osten geführten Kriege, die keinesfalls die Interessen der USA begünstigten. Er betonte auch, dass die von seinen Vorgängern gestaltete Diplomatie die amerikanischen Ressourcen äußerst beansprucht und die weiteren Möglichkeiten zu handeln begrenzt. Er stand auch kritisch der Idee der Verbreitung der Demokratie gegenüber, was beweist, dass er die von Ideen inspirierten Maßnahmen aufgibt.2)Trump ran as a foreign-policy realist. Instead he’s become another interventionist neocon, Quartz 2017-05-04.Er kündigte auch eine Entspannung in den Beziehungen zu Russland und Bereitschaft zu Verhandlungen mit Nordkorea an.3)Trump leaving neocons in dust, The Hill 2016-05-23.Gleichzeitig betonte er, dass die USA ihre Interessen zugunsten der Interessen fremder Staaten nicht aufopfern werden. Er wies darauf hin, dass Allianzen wieder überlegt werden sollten, und darauf, dass sie von Verbündeten im höheren Maße finanziert werden sollen. Er ließ es auch zu, die chinesische und nordkoreanische Macht durch die japanische und südkoreanische auszugleichen, indem ihnen Atomwaffen zur Verfügung gestellt werden. Dann müsste Amerika keine Kosten mehr für die Verteidigung der beiden Länder tragen.4)Is Donald Trump a Realist?, The National Interest 2017-03-17.

Der realistische Weitblick gefiel den Bürgern. Laut der Umfragen von Pew Research meinten sechs von zehn Amerikanern, dass die USA ihre eigenen Probleme lösen, und dass die anderen Länder sich auf ihre Angelegenheiten konzentrieren sollten. Dass jeder der Akteure der Weltpolitik seine eigenen Interessen hat, die von einer Supermacht verstanden werden sollen, ist im Grunde genommen eine zutiefst realistische Anschauung. Auch die Forscher der internationalen Beziehungen, wie John Mearsheimer, merkten es, dass Trumps Maßnahmen an die vom Ende des Vietnamkrieges erinnern. 5)Trump leaving neocons in dust, The Hill 2016-05-23.Der katastrophale Konflikt von damals zwang die Macht, einen Schritt zurück zu machen und ihr Engagement in sinnlose Konflikte in Hinsicht auf amerikanische Interessen wieder zu überlegen.

In seiner Amtszeit traf Trump einige Maßnahmen, die als realistisch angesehen werden dürfen. Er setzte bei Ausgaben für Auslandshilfe den roten Stift an und pumpte Militärbudget auf. Er leitete die Zusammenarbeit mit Russland und der Türkei zum Abschluss des Konfliktes in Syrien in die Wege. Man könnte sagen: er delegierte die Verantwortung für die Beendigung des Konfliktes auf regionale Mächte.6)Don’t Be Fooled: Trump’s Return to Realism in American Foreign Policy by Joshua Turner, Utica College Center of Public Affairs and Election Research 2017-04-09.Natürlich befürchten einige, dass dem Angriff auf die Streitkräfte von al-Assad eine Intervention folgen wird, der Angriff ist aber als ein PR-Trick zu betrachten und soll die Macht Amerikas zum Ausdruck bringen, ebenso wie Abwurf der Bombe MOAB auf ISIS in Afghanistan. Er sollte eine Demonstration der Macht sein, die die amerikanischen Ressourcen nicht vermindert und doch gewisse Ziele zu erreichen erlaubt.

Es sollte bedacht werden, dass alle erwähnten Aspekte nicht der These widersprechen, dass Trumps Politik morallos ist. In seiner Antrittsrede stand es klar, dass er den Dschihadismus zu zerstören versuchen wird. Er nahm dabei Bezug auf den Kampf zwischen Gut und Böse Bezug als Führer der zivilisierten Welt.7)Trump’s Realist Vision, Chronicles 2017-01-23.Die Rhetorik ähnelt eher der von Bush kurz vor dem Angriff auf den Irak. Damals hätte der Westen die Barbaren bekämpfen sollen. Die Rhetorik ist auch für die Neokonservativen typisch.

Während seiner Rede in Rijad kündigte Trump an, dass er dem „Realismus mit Beachtung der Regeln” treu bleiben wird. Er will dadurch die gemeinsamen Interessen mit Ideologie verbinden. Die Ideologie sei der Anti-Radikalismus. Er akzeptiert nämlich einerseits die Menschenrechte und kulturelle Unterschiede, andererseits lehnt er Radikales ab, das für ihn ISIS versinnbildlicht, der die Gewalt als Selbstzweck gerechtfertigt.8)Will Trump’s ‘principled realism’ let autocrats off the hook?, The Washington Post 2017-05-24.Ein anderes Beispiel ist die Zulassung der Unternehmenskooperationen der Amerikaner mit Kubanern, doch nicht mit der kubanischen Regierung. Auf diese Weise wird’s versucht, die demokratischen Ideen zu verbreiten und gleichzeitig die amerikanischen Interessen durchzusetzen. Manche deuten nämlich darauf hin, dass Trump eine Doktrin schaffen will, in der ein Gleichgewicht zwischen der Ideologie und der Staatsraison unterstellt ist.9)Trump’s New Foreign Policy of „Principled Realism”, Selous Foundation 2016-07-03.

Der Präsident der USA hat die entscheidende Stimme. Nicht ohne Bedeutung sind doch seine Berater, die er auswählt. Ein Paradebeispiel dafür ist die Amtszeit von Barack Obama. Seine begrenzte Intervention in Syrien war nichts anderes als ein Kompromiss zwischen zwei Parteien: den Realisten von der Armee, die ihm davon abrieten und den liberalen Habichten, von der Umgebung Hillary Clintons.10)Obama administration still deeply split on Libya, World Tribune 2011-03-30.So geht es auch heutzutage in der amerikanischen Regierung vor. Kurz nach der Wahl wurden zu Trumps Hauptberatern die iranfeindlichen James Mattis und H. R. McMaster, sowie Nikki Haley ernannt, die Russland abgeneigt ist.11)Trump ran as a foreign-policy realist. Instead he’s become another interventionist neocon, Quartz 2017-05-04.Die andern Berater bemühen sich in ihren Aussagen den Realismus mit dem Neokonservatismus in Einklang zu bringen. Sie behaupten, die Diplomatie sei auf der Basis der Ideologie und der demokratischen Werte zu gestalten, gleichzeitig seien die undemokratischen, doch freundlich gesinnten Regime zu dulden.12)Realist or neocon? Mixed messages in Trump advisor’s foreign policy vision, Brookings 2016-07-19.Rund um Trump gibt es auch Realisten, die sich für eine Annäherung an Russland aussprechen: Generale Michael Flynnie und Carter Page, sowie Senator Jeff Sessions, die sich in der Öffentlichkeit gegen die neokonservative Anschauung aussprechen und für eine guttuende Dosis des Realismus plädieren.13)The Magnificent Seven: Trump’s Top 7 Foreign Policy Advisers, Katehon 2016-03-30.

Donald Trump trifft auch Entscheidungen, die aus dem Rahmen der Logik des Realismus fallen. Vor allem sind hier die wirtschaftlichen Beziehungen und Rückzug aus dem TPP-Abkommen zu nennen. Durch den Verzicht der USA auf das Handelsabkommen spielt China eine noch größere Rolle in Asien und die asiatischen Länder dürfen weiterhin die Kinder zur Arbeit nutzen. Das TPP-Abkommen sollte der Ausbeutung ein Ende setzen, was die amerikanischen Produkte durch den Ausgleich der Produktionskosten wettbewerbsfähiger machen würde. Angesagt wurde auch die Einführung der Strafzölle, die die Lage der amerikanischen Produzenten noch verschlechtern würde. Dem Präsidenten wird auch vorgeworfen, dass er in den internationalen Organisationen zu wenig präsent ist und dass er den Irak und Afghanistan zugunsten des Irans und der Taliben im Stich ließ.14)Is Donald Trump a Realist?, The National Interest 2017-03-17.

Außerdem wird es Trump vorgeworfen, dass er sich zwar auf den Realismus beruft, doch seine Ideen kaum begreift. Manche sind der Meinung, dass der Realismus es nicht voraussetzt, dass die Ideologie der Menschenrechte und der Demokratie aufgegeben werden sollen, sondern dass sie zur Durchsetzung der eigenen Ziele ausgenutzt werden sollten. Inzwischen wirft Trump einen immer größeren Schatten auf die Beziehungen mit den demokratischen Ländern und fördert autoritäre Regime, z.B. Saudi Arabien. Dass er Ideologie so kräftig ablehnt, kann tatsächlich als unrealistisch abgewertet werden.15)Trump Is No Realist, The National Interest 2017-05-27.Andererseits ist der Präsident für die Unterstützung der Länder zu loben, die ein Gegengewicht gegenüber dem Iran sein können.

Obwohl Trump Oberkommandierender ist, wird er als Politiker verschiedene Parteien zu versöhnen versuchen, daher ist zu erwarten, dass er seine Diplomatie anders als seine Vorgänger gestalten wird. Es wird aber kein purer Realismus sein, eher eine Neigung dazu. Zu erwarten sind positive Veränderungen bei der Nutzung amerikanischer Ressourcen und gerechtere Belastung der Verbündeten mit den Verteidigungskosten. Obwohl für die Verbündeten das schockierend sein kann, wird es in der langfristigen Perspektive Amerika ermöglichen, den Status einer Supermacht aufrechtzuerhalten und die Bedrohungen seitens anderer Mächte, hauptsächlich von Russland und China, auszugleichen.

Der Realismus setzt eine Diplomatie auf hohem Niveau voraus. Der gedopte Neokonservatismus, der mit militärischen Interventionen drohte, schreckte immer Nordkorea und den Iran ab. Die Realisten gehen aber davon aus, dass die Kraft eines Staates dadurch zum Ausdruck kommt, dass der Staat Konflikte lösen kann, ohne auf seine militärische Kraft zurückgreifen zu müssen. Solche Herangehensweise ist schwieriger, gewährleistet aber eine langfristige internationale Stabilität.

Manche sind der Meinung, Donald Trump geht zurück zu den Wurzeln der Republikaner. Seine Aussagen erinnern an die Reden aus der Zwischenkriegszeit, als die amerikanische rechte Szene zur Begrenzung des Engagements in der Welt aufrief, es sei denn für Amerikas Interessen günstig. Nach dem Zweiten Weltkrieg kritisierten die Republikaner die übermäßige Ausnutzung der Macht und den Einsatz in unnötige Konflikte. Sie betonten außerdem, dass das fundamentale Ziel der USA der Schutz ihrer Bürger sei.16)The Neocons vs. Donald Trump, The New York Times 2016-03-10.

Manche glauben, Trump ist ein Habicht, doch mit einer besonderen Weltanschauung.17)Trump Still a Jacksonian, Not a Neocon, NewsMax 2017-04-18.Er betont in seinen Reden, dass er sich nach seinen Interessen richtet, solange jemand ihn nicht anpöbelt. Dann ist er bereit auf eine Vergeltung mit allen zugänglichen Mitteln. Er nimmt an, dass alle stets gegen alle kämpfen, und dass man in dem Kampf entscheiden reagieren muss.18)Trump’s Self-Pitying Aggression, The Atlantic 2016-05-19.Das heißt, dass er wahrscheinlich nicht gern Gewalt einsetzen wird, es sei denn, die Sicherheit der USA wäre gefährdet.19)Trump Still a Jacksonian, Not a Neocon, NewsMax 2017-04-18.Mal sehen, ob die Amtszeit von Trump tatsächlich so aussehen wird. Zurzeit können wir nur hoffen, dass die unnötigen Konflikte allmählich beendet und die neuen nicht provoziert werden, und dass Gleichgewicht in den einzelnen Regionen hergestellt und die Welt damit zu einem sichereren Ort wird. Im Klartext heißt es, dass Washington die undemokratischen Regime, die Menschenrechte verachten und Menschen Leiden zufügen, dulden wird, doch als Realisten, wird es Amerikanern bewusst werden, dass man nicht alle retten und einseitig die Weltordnung gestalten kann.

References   [ + ]

1. The Neocons vs. The Realists, The National Interest 2008.
2, 11. Trump ran as a foreign-policy realist. Instead he’s become another interventionist neocon, Quartz 2017-05-04.
3, 5. Trump leaving neocons in dust, The Hill 2016-05-23.
4, 14. Is Donald Trump a Realist?, The National Interest 2017-03-17.
6. Don’t Be Fooled: Trump’s Return to Realism in American Foreign Policy by Joshua Turner, Utica College Center of Public Affairs and Election Research 2017-04-09.
7. Trump’s Realist Vision, Chronicles 2017-01-23.
8. Will Trump’s ‘principled realism’ let autocrats off the hook?, The Washington Post 2017-05-24.
9. Trump’s New Foreign Policy of „Principled Realism”, Selous Foundation 2016-07-03.
10. Obama administration still deeply split on Libya, World Tribune 2011-03-30.
12. Realist or neocon? Mixed messages in Trump advisor’s foreign policy vision, Brookings 2016-07-19.
13. The Magnificent Seven: Trump’s Top 7 Foreign Policy Advisers, Katehon 2016-03-30.
15. Trump Is No Realist, The National Interest 2017-05-27.
16. The Neocons vs. Donald Trump, The New York Times 2016-03-10.
17, 19. Trump Still a Jacksonian, Not a Neocon, NewsMax 2017-04-18.
18. Trump’s Self-Pitying Aggression, The Atlantic 2016-05-19.

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