Seit etwa einem Monat werden die Kanadier mit einer sensationellen Geschichte über Hunderte von unmarkierten Gräbern gefüttert, die in British Columbia und Saskatchewan gefunden wurden, Gräber, die angeblich mit den Leichen von Hunderten von Kindern der indigenen Völker gefüllt sind, Gräber, die – wie es dramatisch hervorgehoben wird – auf dem Gelände von katholischen Internatsschulen liegen. Alle nationalen Nachrichten und die aus dem Ausland scheinen nur von einer Geschichte besessen zu sein: den Gräueltaten des weißen Mannes in Kanada, dem Trauma der Indianer, die heute den Namen First Nations tragen, und der Empathie, die alle anständigen Menschen ihnen zeigen. Die Vereinigten Staaten haben ihre Black Lives Matter, die sich für die Interessen der Afrikaner einsetzt, nun kann sich Kanada seines Gegenstücks rühmen: der Idle No More-Bewegung („Nicht länger untätig sein“), die sich für die Interessen der Nachkommen der Ureinwohner des Landes einsetzt.
Nieder mit Königin Victoria!
Die erschreckende Entdeckung wurde kurz vor dem Nationalfeiertag – dem Canada Day – gemacht und hat zu Forderungen geführt, die darauf abzielen, den Feiertag abzuschaffen oder zumindest seinen Charakter so zu ändern, dass Kanada – zumindest so wie wir es heute kennen – abgeschafft werden muss. Das ist zumindest die Überzeugung der Aktivisten der Idle No More-Bewegung. Ihre Anführer nutzen alle Techniken der Störung der Gesellschaft, die in der Ukraine, Libyen, Jugoslawien oder Georgien, um nur einige Länder zu nennen, erfolgreich eingesetzt wurden. Sie
– propagieren Aufrufe wie “No Pride In Genocide”(„Kein Stolz auf Völkermord“);
– wenden ergreifende Symbolik an, wie das Aufstellen einer großen Anzahl von Kinderschuhen (Mahnmale aus Schuhen) oder das Aufstellen von kleinen Solarleuchten an den als Gräber markierten Orten;
– rufen ihre Unterstützer dazu auf, sich orange zu kleiden (in Anlehnung an all die Farbrevolutionen), um ihnen eine hohe Sichtbarkeit zu verleihen;
– gehen auf einen Amoklauf und stürzen Denkmäler weißer historischer Persönlichkeiten (die Verwüstung des Queen-Victoria-Denkmals auf dem Foto oben);
– schaffen landesweite Unterstützung, indem sie z.B. eine Krisenhotline eröffnen, bei der die Bürger aufgefordert werden, ihre Unterstützung auszudrücken;
– veranstalten Sitzstreiks, Dienstunterbrechungen, Märsche, Kundgebungen, Reigentänze, reißen Fahnen – alles im Geiste der Regeln für Radikale, die von dem alten Sonderling, bekannt als Saul Alinsky, Hillary Clintons Mentor und Guru, aufgeschrieben wurden;
– fordern die Ermächtigung der Minderheiten, die – natürlich – ausgebeutet, diskriminiert werden und was auch immer;
– protestieren gegen Polizeigewalt und fordern, dass die Polizei nicht mehr finanziert wird; und
– ehren die vielen Leben, die der kanadische Staat verloren hat, d.h. (i) die Leben von Ureinwohnern, (ii) die Leben von Schwarzen, (iii) die Leben von Migranten, (iv) die Leben von Frauen, (v) die Leben von Trans-Personen und (vi) die Leben von 2Spirit (schlagen Sie den letzten Begriff im Internet nach, wenn Sie Lust dazu haben).
Kein Stolz auf Völkermord (Quelle: idlenomore.ca)
Die Bewegung genießt die volle wohlwollende Berichterstattung der weißen, kriecherischen Journalisten, die Vertreter von Kanadas Ureinwohnern interviewen und sich ihrem Urteil unterwerfen. Kein geringeres Wort als Völkermord wird in Bezug auf die Hunderte von Leichen verwendet. Menschen, die einst Schüler von Schulen waren, die von der katholischen Kirche betrieben wurden, werden als Residential School Survivors (Überlebende aus den Internaten) bezeichnet! Hat das nicht den Beigeschmack der Überlebenden des Holocaust? Übrigens, protestieren die jüdischen Organisationen, die sonst so sensibel für die Außergewöhnlichkeit ihrer historischen Erfahrung sind, nicht dagegen? In ähnlicher Weise sprechen die kanadischen Indianer von Überlebenden der dritten Generation, was bedeutet, dass ihnen die Überlebenden nie ausgehen werden, nur die Ordnungszahlen werden sich ändern. Diese Überlebenden beklagen sich über Prügelstrafe in den besagten Schulen. Die jungen, leichtgläubigen Zuschauer wissen wahrscheinlich nicht, dass Prügel in der Schule zur Zeit ihrer Vorväter eine Norm war. Aber was wissen sie denn überhaupt von dieser Zeit? Das ist sicher der Grund, warum die ganze Bewegung von der Jugend begeistert unterstützt wird: Sie sind immer die Ersten, wenn es um Tugendsignalisierung geht, und wenn es darum geht, eine bessere Welt – in diesem Fall ein besseres Land – zu schaffen. Kein Wunder, dass die wütende Jugend als Konsequenz daraus bereits begonnen hat, Kirchen zu entweihen und eine Entschuldigung des Papstes zu fordern. Die Entweihung, vor allem katholischer Kirchen, hat eine lange Tradition in allen revolutionären Bewegungen, angefangen bei Martin Luther, über die französische, bis hin zur russischen Revolution, bis zum heutigen Tag. Nicht, dass die jungen Menschen so tugendhaft wären und einen solchen moralischen Zorn darauf empfinden, was die Priester und Nonnen angeblich getan haben; vielmehr plagt der Anblick eines Kirchengebäudes (ein Zeichen, das bekämpft wird) ihr Gewissen (sie wissen, welches seiner Teile), und so wollen sie beweisen, wie verrucht der Klerus ist.
Schauplatz des Traumas (Quelle: Al Jazeera)
Die von Priestern und Nonnen geleiteten Internate/Umerziehungsanstalten hatten einst die Aufgabe, die indianischen Kinder Kanadas zu Bürgern Kanadas zu machen. Deshalb wurden die Kinder ihren Familien weggenommen und erhielten die gleiche Erziehung wie die weißen kanadischen Kinder, einschließlich strenger Disziplin. Nun wird der Einwand erhoben, dass die Kinder zwangsassimiliert und in den Rest der Gesellschaft integriert wurden. Ist das nicht das Ziel der heutigen Politik der europäischen, amerikanischen und, ja, kanadischen Behörden, wenn es um Einwanderer geht? Warum sollte das im Falle der Schulen von damals eine Sünde sein?
Denkmal aus Schuhen. (Quelle: cbc.ca)
Man hat den Eindruck, dass der Zeitpunkt der Entdeckung der Massengräber jemandem in den Kram passte. Nur einen Monat vor dem Nationalfeiertag! Man kann den Eindruck nicht loswerden, dass das Ereignis ein Glied in einer Kette von verschiedenen Ereignissen ist, die das öffentliche Interesse wecken und die breite Öffentlichkeit mit einer Idee beschäftigen. Man kann nicht umhin die Künstlichkeit des Traumas bemerken, das von den vielen jungen Menschen zur Schau gestellt wird, die keine oder sehr entfernte Verwandte der toten Kinder sind. Man kann nicht umhin ideologische und politische Überschneidung von Idle No More mit Black Lives Matter sehen. Eine nicht-weiße Minderheit, die gleichen Sozialtechniken, das gleiche Umstürzen von Denkmälern, die gleichen apologetischen Weißen drum herum. Nur “Take the knee” („Knie nieder“) fehlt – noch – beim kanadischen Pendant des amerikanischen Modells. Man hat auch den seltsamen Eindruck, dass all dies von einem widerwärtigen Geheimnis umwölkt ist. Es wird kein Datum des Todes dieser Kinder angegeben (alle auf einmal? über einen längeren Zeitraum?), keine Todesursache genannt. Es sieht aus, als wollte jemand ein Bild malen, das an ein Konzentrationslager des Zweiten Weltkriegs erinnert, an jene dokumentarischen Aufnahmen von Leichen, die von einem Bulldozer geschoben werden. Eines ist jedoch sicher: Das Ereignis ist ein weiterer Schlag gegen den westlichen Kulturkodex. Das Kanada von heute ist (ebenso wie die Vereinigten Staaten und Westeuropa) auch ohne die jüngste grausame Entdeckung ein Schatten seines früheren Selbst. Das Kanada von morgen wird für das Kanada von gestern sein wie die Türkei für Byzanz. Das gleiche Territorium, teilweise die gleichen Ortsnamen und eine völlig andere Nation. Die Vereinigten Staaten und Westeuropa befinden sich auf dem gleichen Weg.