Gastautor: Carlo Sacino
Populismus. Wenn Sie in die Zeitung schauen oder auf die Nachrichten online gehen, finden Sie womöglich Deklarationen von Juncker, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, oder der deutschen Kanzlerin Angela Merkel oder des französischen Präsidenten François Hollande, nur um einige zu nennen, deren „Populismus das europäische Volk nicht verfallen sollte”.
Nassim Nicholas Taleb, Autor des Buches „Der schwarze Schwan“, das am Rande der Finanzkrise von 2007 Bestseller war, hat in einem seiner letzten Kommentare einer scharfen Kritik über Intellektuelle eine ganz andere Interpretation dargebracht: „Was wir beim politischen Prozess allgemein als Teilnahme bezeichnen, nennt er (der Intellektuelle) mit zwei klaren Bezeichnungen: „Demokratie“, wenn es für den schon-intellektuellen-Idioten geeignet ist, und „Populismus“, wenn die Plebejer sich wagen, auf eine solche Art abzustimmen, dass es seinen Präferenzen widerspricht.“ 1)The Intellectual Yet Idiot, Medium 201609-16.
Von einem solchen Standpunkt aus ist „der Populismus“ eine reine Ablehnung seitens der Mittelschicht und der Arbeiterklasse des Westens, beides Europas und der Vereinigten Staaten, solcher Politiken, bei denen sie das Gefühl haben, keinerlei Profit zu machen.
In einer altmodischen, liberalen Perspektive gehört der Populismus schlichtweg zu den Unterklassen, die ihre eigenen Interessen verfolgen, womit er keinerlei eine Gefahr für die Demokratie darstellt; wenn überhaupt, eine akut erforderte Beteiligung, die allerdings entgegengesetzte Ansichten enthält, darunter welche der gegründeten Elite.
Die Ablehnung der Leute, sich für die Eliten zu entscheiden, erkennt man am besten dann, wenn sie in einer bestimmten Angelegenheit das Bedürfnis zur Abstimmung haben, ohne auf die traditionelle Teilung der politischen Partei Rücksicht nehmen zu müssen, sei es nun die Rechte oder die Linke. Traditionell werden die Parteien als Mitte-Rechts oder Mitte-Links bezeichnet, die sich für eine Seite erklären, während es extreme Rechte oder extreme Linke für die andere Seite tun. Die neuesten Beispiele sind die niederländische Ablehnung des ukrainischen Beitrittsvertrages im April und die „populistische Katastrophe“ des Brexits im Juni, wo beide die ungünstige Tradition des EU Beschlusses in Form von Volksabstimmung bekräftigen.
Letzteres hat ganz besonderen Aufruhr verursacht: jedoch resultierte der Erfolg seitens des Brexits nicht nur aus den Bemühungen der extremen Rechte bei UKIP (engl. UK Independence Party – dt. Partei für die Unabhängigkeit des Vereinigten Königreichs); der größte Entscheidungsfaktor war die Wählerschaft der Arbeiterpartei, noch vor der Zeit Tony Blairs, die mithilfe der weit verbreiteten Akklamation von Jeremy Corbyn, welche gegen die Repräsentanten der „Neuen Linken“ war, wieder eingesetzt werden konnte. „Wenn Sie Geld haben, wählen Sie“, sagte sie mit fester Überzeugung. „Wenn Sie kein Geld haben, wählen Sie ab“, öffnete sich der Vormund und erinnerte dabei daran, wie die reichhaltigsten Bezirke Londons für die Pro EU überwältigend die Stimmen gaben, während die Orte in England mit einem niedrigeren Einkommen überwältigend Gegenstimmen gaben.2)‘If you’ve got money, you vote in … if you haven’t got money, you vote out’, The Guardian 2016-06-24.
Zu den Gründen, die von Leuten genannt wurden, die von der britischen Zeitschrift befragt wurden, gehört, dass der Arbeitslohn auf 3 Pfund pro Stunde gekürzt wurde oder, dass die Personalvermittler zum Nachteil der Briten handeln, da die Ausländer bereit sind „zu ungünstigen Uhrzeiten und für einen lächerlichen Betrag“ zu arbeiten.3)‘If you’ve got money, you vote in … if you haven’t got money, you vote out’, The Guardian 2016-06-24.
Es ist schwer die Menschen zu beschuldigen, die die Ansichten vertreten, ideologisch einseitig gegen die EU zu sein, da sie schlichtweg mit ihren (leeren) Taschen und Menschenverstand abstimmen und dennoch waren einige Intellektuelle, die dieselben Ansichten vertreten, wie die Elite, wütend auf die „unbekümmert zornigen, eingebildeten Massen“ und haben sie dessen beschuldigt, nichts über die Weltpolitik zu wissen.4) It’s Time for the Elites to Rise Up Against the Ignorant Masses, Foreign Policy 2016-06-24.
Vor kurzem hat sich Christine Lagarde von IWF (Internationaler Währungsfonds; engl. International Monetary Fund – IMF) mit den Problemen befasst, dass „Globalisierung für alle sein soll“ und dabei zugegeben, dass „die steigende Ungleichheit in Betracht auf Wohlstand, Einkommen und Chancen auf Selbstentwicklung mit beigetragen hat, dass ein Gefühl der Unzufriedenheit herrscht, insbesondere in Industrieländern, was sich dadurch offenbart hat, dass die dortigen Bürger davon überzeugt sind, „gar nichts unter Kontrolle kriegen zu können“ und dass das gesamte System gegen sie feindlich eingestellt ist.
Finanzinstitutionen werden als unerklärlich für die Gesellschaft gesehen. Die Steuersysteme ermöglichen den multinationalen Unternehmen und reichen Individuen, nicht zahlen zu müssen, was viele als gerechte Beteiligung betrachten würden. Die Korruption bleibt einheimisch. Und es kommt zur Herausforderung seitens der Migrationsflüsse, die zu den Befürchtungen um die Wirtschaft und Kultur beitragen.“5)Making Globalization Work for All, IMF 2016-09-13. Die unteren Klassen mit entwickelter Wirtschaft waren bei der Globalisierung die großen Verlierer und haben somit das System zurückgewiesen.
„The Economist“ dagegen hat diese Ansichten abgelehnt und auf die Dekaden des Wirtschaftswachstums hingewiesen6)Why they’re wrong, Economist 2016-10-1. und dennoch ist es ihm misslungen, sich mit dem Artikel, der mit der Voraussetzung öffnet, denen, die die Globalisierung kritisieren, zu beweisen, dass sie sich „irren“, und war nicht imstande zu erklären, wohin die Wohlstandsgewinnung geht, wodurch der Sinn komplett verfehlt wurde.
Demzufolge scheinen die Befürworter der Globalisierung auf die negativen Auswirkungen blind zu sein, die es bei den Unterklassen gibt und taub auf Kritik, die sie als Populismus mit einem paternalistischen Ansatz verharmlost haben und dennoch steigt die „populistische“ Welle weiterhin ohne Ende in Sicht.
Ein Misserfolg zuzugeben, dass bei bestimmten Politiken ihre höheren Klassen über die niedrigeren vorgezogen wurden und die Notwendigkeit, diese Fehler rückgängig zu machen ist aktuell der größte Feind der europäischen Integration.
Das anstehende Verfassungsreferendum in Italien könnte das Ende der Pro-EU-Regierung Renzis sein, mit Befestigung des Weges für Anti-EU, dennoch zurzeit keine Anti-EU Movimento 5 Stelle.
Im nächsten Jahr werden die nationalen Wahlen Frankreichs und die der Niederlanden rechtsextreme Parteien sehen, die die Meinungsumfragen anführen.
Sollte sich die globale Elite weigern, die berechtigten Anliegen ihres Volkes entgegenzunehmen, besteht das Risiko, dass die 60-jährige europäische Integration abgelehnt wird und das zusammen mit den aktuellen Befürwortern bei den allgemeinen Bürgern, selbst wenn sie keine ideologische Befangenheit gegen die EU allein hat.
References
1. | ↑ | The Intellectual Yet Idiot, Medium 201609-16. |
2, 3. | ↑ | ‘If you’ve got money, you vote in … if you haven’t got money, you vote out’, The Guardian 2016-06-24. |
4. | ↑ | It’s Time for the Elites to Rise Up Against the Ignorant Masses, Foreign Policy 2016-06-24. |
5. | ↑ | Making Globalization Work for All, IMF 2016-09-13. |
6. | ↑ | Why they’re wrong, Economist 2016-10-1. |