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Das Problem gibt’s nicht, es ist nur seine Wahrnehmung

Das schwedische Außenministerium fühlte sich vor Kurzem zur Rede gestellt und nahm Stellung zu einigen Fragen, die der schwedischen Gesellschaft zu schaffen macht.1)Alle Zitate aus: Facts about migration and crime in Sweden, Government Offices in Sweden.In dem von ihm verfassten Dokument, beantwortet die Regierung Fragen und Behauptungen ihrer Bürger. Liest den Text des schwedischen Ministeriums jemand, der ebenso wie der Autor dieses Artikels die Hälfte seines Lebens in einer ähnlichen sozialistischen/marxistischen Staatsform verbrachte, kann ja ein Gefühl haben, ein déjà vu zu erleben, da eben vor einigen Jahrzehnten, als man in den RGW-Ländern fernsah und erfuhr, dass es gutes Wetter sei, und dann schaute man aus dem Fenster hinaus und sah, dass es draußen in Strömen goss. Daran gewöhnten wir uns. Wir erarbeiteten sogar eine Strategie, die offiziellen Nachrichten spiegelbildlich zu deuten und verstanden das Gute als das Böse und umgekehrt. Als ich also das Schriftstück des Schwedischen Außenministeriums las, kamen in meiner Erinnerung die Zeiten des Sozialismus so deutlich zurück, als wären sie erst gestern vorbei gewesen. Schauen wir uns den Text genau an.

Die Schweden behaupten, so in dem Text, dass in Schweden „Waffengewalt zunimmt”, was Ministerium so quittierte: die Zunahme der Gewaltakten sei nicht zu verzeichnen, was zugenommen haben soll, sei „die Wahrnehmung der Kriminalität”. Wir haben also nicht mit leeren Regalen in Geschäften zu tun, sondern mit der Wahrnehmung der Leere.

Die Schweden behaupten, so weiter im Text, dass „für die Zunahme der Kriminalität die Migranten verantwortlich sind und dass die Behörden dies verheimlichen”- das Ministerium für Wahrheit widerspricht und stellt fest, dass „die Mehrheit der einer Straftat Verdächtigen in Schweden geboren wurde und dass ihre Eltern auch in Schweden geboren wurden”. Merken wir uns den Ausdruck „die in Schweden geborenen Eltern” statt „schwedische Eltern”, was bedeutet, dass die Eltern höchstwahrscheinlich selbst Migranten oder eingebürgerte Migranten sind. Weiterhin ist da Folgendes zu lesen: „die überwältigende Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund sind keiner Straftat verdächtig“ – als käme es darauf! Es unterliegt keinem Zweifel, dass die meisten von ihnen keine Kriminellen sind: hier geht es doch um den Prozentsatz, weil wenn die Straftaten, sagen wir mal, von 30% der Migranten begangen werden, bleiben sie weiterhin eine lautstarke Minderheit, was aber die einheimische Bevölkerung, die sich einst viel sicherer fühlte, nicht beruhigen sollte, oder?

Die Schweden behaupten, dass „die Unmenge der Migranten die schwedische Wirtschaft in den Abgrund treibt”, worauf das Ministerium für Liebe erwidert, dass „die schwedische Wirtschaft stark ist”, und „Schweden Migration braucht, weil in Schweden zu wenige Kinder geboren werden”, und dass die Regierung nach der Aufnahme von 163 000 Ankömmlingen im Jahre 2015 Maßnahmen zur Reduzierung „der Zahl der Asylbewerber in Schweden traf”. Hier entsteht die Frage, welche Wahrheit ist echt, und welche ist echter (oder am echtesten)? Braucht Schweden Migranten, damit ihre Wirtschaft stark bleibt, es soll also die Zahl der Asylbewerber nicht einschränken, oder braucht Schweden keine Migranten, weil sie zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch führen und eben deswegen reduziert die Regierung den Migrantenzufluss?

Die Schweden behaupten, dass „die Muslime in Kürze zur Mehrheit in Schweden werden”. Das Ministerium für Frieden antwortet, dass „in Schweden nach Schätzungen einige tausende Menschen leben, die aus islamischen Ländern kommen, die Zahl aber ist kein Nachweis dafür, wie viele von ihnen sich zu ihrem Glauben bekennen”, und doch, können wir im selben Dokument lesen, „sind Muslime etwa 1,5 % unter 10 Millionen Einwohnern Schwedens, von denen 6,2 Millionen der Schwedischen Kirche angehören”. Gibt das Ministerium es nur an, oder hat es keine Ahnung davon, dass die Schweden viel seltener am Gottesdienst oder an anderen Andachten teilnehmen, als es aus ihrer angeblichen Angehörigkeit zu ihrer Kirche resultieren sollte?2)Fast acht von zehn Schweden erklären sich als „ungläubig” oder als „überzeugte Atheisten” (…) Befragt wurden 63 398 Personen und nur China, Hong Kong und Japan haben einen höheren Anteil der Atheisten als Schweden(…). Die Zahl der Gläubigen, die Moscheen und Synagogen in Schweden besucht, nimmt aber zu und zwar wegen der Migration aus dem Nahen Osten. [in:] Sweden ‘least religious’ nation in Western world, The Local 2015-04-13. Nur etwa 400,000 von 6.6 Millionen Mitgliedern der Schwedischen Kirche geben an, den Gottesdienst mindestens einmal pro Monat zu besuchen. Die Umfrage von Jonas Bromander (Hauptanalytiker der Schwedischen Kirche) zeigt auch, dass die Zahl der Angehörigen (kontinuierlich) abnimmt – vor 40 Jahren bekannten sich zu ihrem Glauben noch 95% der Gesellschaft, heute nur noch 68.8%,[in:] Church of Sweden’s Nonbelievers, The Living Church 2013-01-24. während der Glaube der islamischen Religionsgruppen, auch wenn sie relativ nicht zahlreich sind, lebendig, ehrlich, zweifelsfrei und stark ist. Wer wird sich also letzten Endes durchsetzen, wer wird die Gesellschaft prägen? Wie wahrscheinlich ist es, dass die Muslime und nicht die Schweden das Land nach ihrem Ebenbild schaffen werden?

Es gab so eine Zeit in meinem Leben, als ich so einem Neusprech ausgesetzt wurde. Ich hätte damals nie gedacht, dass ich nach dem Fall des Kommunismus so was mal wieder erleben werden muss. Vielleicht habe ich aber ein Problem mit der Wahrnehmung und die reale Welt funktioniert bestens, und ich soll mich einer psychiatrischen Untersuchung unterziehen. In der Sowjetunion war die Angehörigkeit zur Opposition einer psychischen Krankheit gleich, denn ein gesunder Mensch konnte doch nicht das in Frage stellen, was ihm als Gute vorgeführt wurde. Vielleicht bin ich ja nicht ganz dicht.

Im September 2015 rief Bischöfin Eva Brunne auf, die christlichen Symbole, darunter Kreuze, aus der Seemannkirche in Stockholm, zu entfernen, um so die Kirche für Seeleute aller Bekenntnisse zugänglich zu machen. Sie schlug auch vor, für die die Kirche besuchenden Muslime die Weltrichtung zu markieren, wo sich Mekka befindet. Image source Wikipedia

References   [ + ]

1. Alle Zitate aus: Facts about migration and crime in Sweden, Government Offices in Sweden.
2. Fast acht von zehn Schweden erklären sich als „ungläubig” oder als „überzeugte Atheisten” (…) Befragt wurden 63 398 Personen und nur China, Hong Kong und Japan haben einen höheren Anteil der Atheisten als Schweden(…). Die Zahl der Gläubigen, die Moscheen und Synagogen in Schweden besucht, nimmt aber zu und zwar wegen der Migration aus dem Nahen Osten. [in:] Sweden ‘least religious’ nation in Western world, The Local 2015-04-13. Nur etwa 400,000 von 6.6 Millionen Mitgliedern der Schwedischen Kirche geben an, den Gottesdienst mindestens einmal pro Monat zu besuchen. Die Umfrage von Jonas Bromander (Hauptanalytiker der Schwedischen Kirche) zeigt auch, dass die Zahl der Angehörigen (kontinuierlich) abnimmt – vor 40 Jahren bekannten sich zu ihrem Glauben noch 95% der Gesellschaft, heute nur noch 68.8%,[in:] Church of Sweden’s Nonbelievers, The Living Church 2013-01-24.

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