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Immobilienblasen – wohin man auch schaut

Die Überteuerung der Immobilienmärkte soll angeblich nur die reichen und beliebten Großstädte der Welt betreffen. Wenn man aber genauer hinschaut, scheint das Blasenrisiko auch Schwellenländer bedrohen.

Immer öfter hört man von möglichen Blasen auf den Immobilienmärkten in Großbritannien, Skandinavien und in den Niederlanden.1)In Europas Hausmärkten blubbern die Blasen, Handelszeitung 2016-11-28.UBS erwähnte in seinem Bericht für das vergangene Jahr vor allem Vancouver, London, Stockholm, Sydney und München als Großstädte mit besonders aufgeblähten Preisen.2)UBS Global Real Estate Bubble Index, 2016.

Kaum erwähnt wird in allerlei Berichten, dass ein entscheidender Faktor für die ansteigenden Preise die offenen Grenzen und die übermäßige Einwanderung waren. In London beispielsweise leben etwa 300 000 Russen, die vor allem in Immobilien, überwiegend illegales Geld investieren.3)Schuld und Sühne auf der britischen Bühne, Gerald Hosp, NZZ 2017-06-30.Die Preise für Immobilien trieben in der britischen Hauptstadt auch Katarer und Chinesen in die Höhe, die ja eigentlich Londons Finanzviertel seit Jahren übernehmen.4)Jetzt übernimmt Katar auch Londons Finanzviertel, Nina Tretman, WeltN24 2015-01-28.

Pascal Gantenbein, Basler Professor für Finanzmanagement erklärt das Risiko so: „Fällt die Geldentwertung jedoch mit einer schwachen Wirtschaft oder gar einer Krise zusammen, kommt es darauf an, wie stark die Immobilienbesitzer ihre Positionen mit Fremdkapital finanziert haben. Je mehr dies der Fall ist, desto stärker können der Verkaufsdruck und damit der reale Preisrückgang ausfallen.“5)Bieten Immobilien Inflationsschutz?, Pascal Gantenbein, Basler Zeitung 2012-02-28.

Die Flüchtlinge und Migranten, die nach London in Scharen kommen, müssen auch irgendwo untergebracht werden, natürlich nicht in den Vierteln der Reichen. Das sorgt auch für den Preisanstieg. Da wo der Platz knapp wird, wird‘s nämlich teurer. Übrigens: ähnliche Erscheinung ist seit 2015 in Deutschland zu bemerken. Die sogenannten Flüchtlinge, in der Tatsache Umsiedler, sorgen für Verteuerung der Immobilie in deutschen Ballungsräumen.6)Flüchtlingsstrom treibt Wohnungspreise in die Höhe, Anne Kunz, WeltN24 2016-01-13.Zum Glück für die normalen Menschen, die in London eine Wohnung oder ein Haus kaufen wollen, kam der Brexit. Er wirkte sich gar nicht so negativ auf die Märkte aus, wie mancher quasi-liberale Politiker aus Brüssel vermutet haben will, es sei denn er investierte etwa in Immobilien in London – die Immobilienpreise und Mieten begannen da zu sinken und sinken bis heute.7)Mieten in London fallen deutlich, Spiegel online 2017-06-06.Die Gefahr der Entstehung einer Blase tauchte jedoch woanders auf: in Osteuropa.

In Tschechien, Ungarn, Litauen und Polen sind die Zinssätze so niedrig wie nie zuvor, Arbeitslosigkeit niedriger als in Westeuropa. In Tschechien, wo sie nur 4,1% beträgt, stiegen die Immobilienpreise innerhalb des letzten Quartals 2016 um 10%. So wie in London stimmen die Proportionen auch da nicht: wenn es um gewerbliche Flächen geht, beteiligen sich daran nur 30% der lokalen Investoren.8)Bank Austria, Presseinformation 2017-05-22.In Polen wurden 2016 mehr Wohnungen als vor der Krise 2007 verkauft. Die übermäßige Nachfrage wird da auch von den niedrigen Zinssätzen, billigen staatlichen Hypothekenkrediten für junge Menschen und Millionen von Gastarbeitern aus der Ukraine und Weißrussland kreiert.9)Boom na runku nieruchomości – czy to jest bańka jak 10 lat temu, Michał Bulski, prnews 2017-01-10.Wenn das Zinsniveau aber in den nächsten Jahren anzieht, die Regierung wegen der steigenden Staatsverschuldung auf die billigen Kredite verzichtet, und die Ukrainer, die ab jetzt ohne Visum nach Deutschland einreisen können,10)Freie Fahrt für Ukrainer, Florian Kellermann, Deutschlandfunk 2017-06-12.ihre Jobs in Polen aufgeben, kann die Überhitzung auf dem Markt schmerzhaft werden.

Beunruhigend ist auch die Zahl der in Mittel- und Osteuropa gewährten Hypothekenkredite: in Rumänien stieg sie z.B. um 13% innerhalb eines Jahres.11)Europe’s next housing boom raises red flags in ex-communist east, Ott Ummelas, Radoslav Tomek, Bloomberg 2017-06-22.Die Situation auf dem tschechischen Immobilienmarkt bezeichnete hingegen der Chef der dortigen Notenbank als ein besonders Risiko für den Bankensektor.12)Czechs clamp down on mortgages, warning boom puts banks at risk, Krystof Chamonikolas, Bloomberg 2017-06-13.Lassen wir uns an der Stelle die Situation kurz erklären: warum kann es zur nächsten Krise kommen? Die Wohnungen und Häuser, aber auch Einkaufszentren und Büroräume kaufen vor allem Investoren, da sie wegen der niedrigen Zinssätze, der unattraktiver gewordenen Anleihen und der überbewerteten Aktienmärkte keine Alternativen sehen. Das bedeutet aber nicht, dass dadurch sofort neue Siedlungen mit jungen Bewohnern, die bereit sind viel auszugeben, und Einkaufszentren voll von Geschäften, die rentabel sind, entstehen. Viele von den Immobilien stehen leer, weil sie wegen des Preisanstiegs nicht vermietet oder verkauft werden können und die Anleger hoffen darauf, dass sich ihre Verluste als vorübergehend erwiesen oder in der Zukunft durch noch höhere Preise amortisieren lassen. Immer mehr Käufer spekulieren auf einen Anstieg der Preise, der auch in den nächsten Generationen fortdauern wird und gehen immer größere Risiken ein. Ein Beispiel aus Nordamerika: In Vancouver in Kanada, wo die Preise im letzten Jahr um fast ein Viertel anstiegen, müssen die Anleger jetzt 2,5 bis 4 % des Bankkredites zurückzahlen. Ein goldenes Geschäft, sie kaufen also weiter an. Es sind aber vorwiegend Anleger aus China. Die Regierung reagiert darauf zum Glück mit der Einführung zusätzlicher Steuer für die Anleger vom Ausland, ähnlich wie in Singapur, wo die Preise sich dadurch stabilisierten. Eine Maßnahme, die für die EU-Länder in Ost- und Mitteleuropa wegen des gemeinsamen europäischen Rechtes und des offenen Marktes nicht in Frage kommt.

Am anderen Ende der Erde ist die Situation alarmierend. Die hohen Wohnungspreise Hongkongs sind allgemein bekannt. Für ein kleines Appartement von 6 Quadratmeter muss man da 450 Euro bezahlen. 2019 werden sich da nur 11,5% aller Haushalte ihre Wohnung wegen der steigenden Mieten leisten können. Bei der alternden Gesellschaft kann das dazu führen, so schätzt die Deutsche Bank, dass da Immobilienpreise bis 2026 um 48% fallen und die Leerstände sich von 4 auf 9% erhöhen können.13)Hong Kong’s home prices may fall by half in next 10 years, Deutsche Bank says, Sandy Li, South China Morning Post 2017-06-09.Wenn die Blase auch auf dem chinesischen Festland platzen wird, wird das einen ganz anderen Ausmaß für die Weltwirtschaft haben, denn es wird geschätzt, dass der Beitrag der Immobilienbranche zum Wachstum des Reiches der Mitte ja sogar ein Drittel beträgt. Und auch da fehlt es den Investoren an Alternativen für die Immobilien als Kapitalanlage, seitdem der Yuan von der Notenbank systematisch geschwächt wird (seit den 90-er also). Auch da sorgten die Zuwanderer, aber nicht aus Afrika (so wie etwa in Schweden), sondern die Chinesen aus der Provinz für die steigenden Wohnungspreise in Ballungsräumen. Dem Prozess folgen seit fast 30 Jahren exzessive Bauinvestitionen, die vielerorts zur Entstehung der übergroßen Leerständen und sogar der Geisterviertel führten. In unserem Bulletin Nummer 15 erklären wir, warum der Bauboom durch die Alterung der chinesischen Gesellschaft und die Abnahme der produzierenden Mittelschicht bald enden wird.

Fazit: seit der letzten Krise stiegen die Preise in den meisten gern bewohnten Großstädten der Welt dramatisch. Globale Wirtschaft schrumpfte aber seit 2007 kontinuierlich. Wenn jemand also billiges Geld der Zentralbanken lobt, muss wohl umdenken – sie sind mit ihrer Politik an den starken Preissteigerungen auf dem Immobilienmarkt schuld.

References   [ + ]

1. In Europas Hausmärkten blubbern die Blasen, Handelszeitung 2016-11-28.
2. UBS Global Real Estate Bubble Index, 2016.
3. Schuld und Sühne auf der britischen Bühne, Gerald Hosp, NZZ 2017-06-30.
4. Jetzt übernimmt Katar auch Londons Finanzviertel, Nina Tretman, WeltN24 2015-01-28.
5. Bieten Immobilien Inflationsschutz?, Pascal Gantenbein, Basler Zeitung 2012-02-28.
6. Flüchtlingsstrom treibt Wohnungspreise in die Höhe, Anne Kunz, WeltN24 2016-01-13.
7. Mieten in London fallen deutlich, Spiegel online 2017-06-06.
8. Bank Austria, Presseinformation 2017-05-22.
9. Boom na runku nieruchomości – czy to jest bańka jak 10 lat temu, Michał Bulski, prnews 2017-01-10.
10. Freie Fahrt für Ukrainer, Florian Kellermann, Deutschlandfunk 2017-06-12.
11. Europe’s next housing boom raises red flags in ex-communist east, Ott Ummelas, Radoslav Tomek, Bloomberg 2017-06-22.
12. Czechs clamp down on mortgages, warning boom puts banks at risk, Krystof Chamonikolas, Bloomberg 2017-06-13.
13. Hong Kong’s home prices may fall by half in next 10 years, Deutsche Bank says, Sandy Li, South China Morning Post 2017-06-09.

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