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Gläserne Bürger, Minuszinsen und andere verrückte Ideen der Wirtschaftsexperten

In einem Arbeitsblatt vom März dieses Jahres rät Alexei Kireyew vom Internationalen Währungsfond, wie das Bargeld abgeschafft werden soll, ohne dass es die Bürger merken: zuerst größere Geldscheine aus dem Zahlungsverkehr zurückziehen, dann Bargeldtransaktionenlimits einführen, Computerisierung des Finanzsystems in der Welt vollenden, Kontrollen des internationalen Bargeldverkehrs durchsetzen, schließlich für Privatunternehmen Anreize schaffen, Bargeld bei Transaktionen zu vermeiden The Macroeconomics of De-Cashing.

Kireyew greift damit auf die Ideen des ehemaligen Chefs des IWF Kenneth Rogoff zurück. In seinem 2016 erschienenen Buch „Der Fluch des Geldes” plädierte er für die Abschaffung des Bargeldes. Es würde seiner Meinung nach zur Bekämpfung der Kriminalität, der Steuerhinterziehung und Verkleinerung der grauen Zone beitragen. Die EZB ging ihm entgegen und versprach den 500-Euro-Schein ab 2018 nicht mehr zu drucken. Ähnlich tat auch die Regierung Indiens: am 9. November 2016 entwertete sie unerwartet über die Nacht alle 500- und 1000-Rupienscheine – ein schwerer Schlag gegen Schwarzwirtschaft und Korruption. Am Tag danach herrschte auf Indiens Straßen Chaos – Menschenmengen vor Banken, leere Geldautomaten – jeder wollte sein Geld abholen, die alten Rupien gegen neue, gültige austauschen, es gab sogar Tote.1)30 Inder sterben durch Bargeld-Entwertung, n-tv.de.

Die anderen Regierungen folgten eifrig der Idee der großen Wirtschaftswaisen, unbesorgt über die Geschehnisse auf den indischen Straßen: Australien will seine 100-Scheine aus dem Umlauf zurückziehen,2)Government floats $100 note removal, news.com.au.und Venezuela schaffte bereits den 100-Bolivar-Schein ab. In Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland gibt es schon Obergrenzen für Bargeldabhebungen, und in Deutschland wird aktuell eine Obergrenze in Höhe von 5000 Euro diskutiert. In manchen Ländern wird der Verzicht aufs Bargeld zum Mittel des politischen Kampfes. In Polen führte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bargeldlose Zahlungen bei der staatlichen Post ein. Bald wird es da auch möglich sein, seine Strafzettel direkt am Streifwagen zu bezahlen. Nicht allen polnischen Politikern gefällt wohl die Idee, dass Beamten mit Bargeld nicht in Berührung kommen werden – so etwa dem Chef der Polnischen Nationalbank Adam Glapiński, der in derselben Zeit den neuen 500-Zloty-Geldschein einführen ließ.

Abschaffung des Bargeldes ist doch nur ein Schritt auf dem Weg zu einem noch größeren Wahnsinn: Kenneth Rogoff hat ja weitere verrückte Ideen in der Hinterhand. Die verrückteste: er verlangte von europäischen Politikern Negativzinsen, mit der Begründung, sie seien sowieso nötig, wenn die nächste Krise kommt. Wir erinnern den Leser daran, dass Negative Zinsen durch Bargeld begrenzt sind. Wenn die Zinsen zu negativ werden, horten die Leute Bargeld.

Welche Folgen hätte seine Idee, wenn sie umgesetzt würde? Was wäre, wenn die Minuszinsen eingeführt würden? Das Geld von Kontos würde in Sachwerte fließen, vor allem in Schmuck, Goldbarren und andere Edelmetalle. Ihre Preise würden in die ungeahnte Höhe steigen ebenso wie die spekulativ getriebene Inflation. Die würde auch von steigenden Immobilienpreisen angekurbelt, da Menschen lieber in Häuser investieren würden als in wertloses Plastikgeld. Der Tauschhandel und Schwarzmarkt würde wie in den Zeiten des Krieges florieren – es würde also das Gegenteil vom Erwünschten erreicht. Und die Kriminellen und korrupte Politiker würden sicherlich ein anders Austauschmittel finden, um ihre Geschäfte abzuwickeln – allgemein bekannt ist es, dass Waffenhändler und Terrorgruppen mit Diamanten bezahlen.3)Kleine Waffen, große Probleme, wol.jw.org.Normale Bürger würden mit der Abschaffung des Bargeldes und der Einführung der Minuszinsen enteignet und wären für Behörden jederzeit durchschaubar – die gläsernen Menschen, deren Leben mithilfe von Kontoauszügen zu verfolgen ist, lassen sich ja leichter kontrollieren und beeinflussen.

Die Starökonomen, Bankiers und Regierungen vergessen, dass man das Bargeld nicht abschaffen kann, nur Geld von Notenbanken. Sie, die Bewohner ihrer Elfenbeintürme, machen die Rechnung ohne den Wirt, sprich: ohne normale Bürger. Die Bürger sind darüber empört und gehen auf die Straßen, so wie nach der Entwertung der Scheine in Indien. Am Ende werden sie alternative Währungen finden, um ihr Geschäft ohne die Einmischung der Regierung zu betreiben. Den Wirtschaftswaisen ist das egal – wichtig ist das Experiment am lebenden Organismus, auch wenn er dadurch sterben kann.

References   [ + ]

1. 30 Inder sterben durch Bargeld-Entwertung, n-tv.de.
2. Government floats $100 note removal, news.com.au.
3. Kleine Waffen, große Probleme, wol.jw.org.

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