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Schulden Italiens können die nächste Finanzkrise herauslösen

Die neue italienische Regierung wird Staatsausgaben und -schulden erhöhen. Sie hat vor, Steuern zu senken, eine Grundsicherung einzuführen und Renten zu reformieren. Der Anführer der italienischen Lega Nord Mateo Salivini befindet sich im Höhenflug in Meinungsumfragen, und seine Partei ist zurzeit die stärkste im ganzen Land. Vor einigen Jahren hätte niemand geglaubt, dass solche regionale Gruppierung zu der leitenden politischen Kraft Italiens aufsteigen wird. Auf uns wird doch noch mehr zukommen. Wie man auch sagt: es kann unmöglich passieren, bis es eines Tages wirklich passiert. Die Finanzleute in nordeuropäischen Ländern, auch in Deutschland und in den Niederlanden gehen davon aus, dass Politiker der M5S und der Lega Nord sich so wie Politiker in Griechenland verhalten und ihre Wahlversprechen nicht einhalten werden. Aber Mateo Salvini und Ministerpräsident Giuseppe Conte ist es bewusst: werden sie die Erwartungen ihrer Wähler nicht erfüllen, dann werden sie abgewählt. Sie wissen auch davon, dass die italienischen Wähler noch eine Alternative namens “CasaPound” haben, die noch radikaler ist, auch wenn sie zurzeit bloß eine unbedeutsame sozial-engagierte.

Antimigrationsbewegung zu sein scheint. Insgesamt könnten die geplanten Reformen der neuen Regierung den Staatshaushalt mit zusätzlichen 25 Milliarden Euro pro Jahr mehr belasten. Kann sich die italienische Regierung überhaupt so etwas leisten?1)Quantificazione delle missure Unicat, 2018, March 17.

Die Frage ist rhetorisch, wenn man sich den wachsenden Schuldenberg Italiens ansieht.

Der beläuft sich auf 2300 Mrd. €, davon sind 1900 Mrd. Staatsanleihen. Was Investoren beunruhigen soll, ist jedoch die Struktur dieser Verschuldung. Vor zehn Jahren, als die letzte Finanzkrise ausbrach, gehörten 51% dieser Staatsanleihen zu den ausländischen Investoren. Wenn sich das Klima für Investitionen in einem Land verschlechtert, verkaufen sie diese Titeln sofort. Als 2011 die Regierung von Berlusconi wegen der strengen EU-Haushaltsvorschriften mit dem Austritt aus der Eurozone drohte, stießen deutsche und französische Banken italienische Staatsanleihen BTP (Buoni del Tesoro Poliennali) ab – insgesamt im Wert von 150 Mrd. €. In den folgenden Jahren kauften Ausländer zwar wieder italienische Schuldtitel für rund 100 Mrd. €, aber ihr Anteil liegt heute mit 36% sehr tief.

Die meisten Pakete haben zurzeit italienische Banken und Versicherungsanstalten, und ihre finanzielle Kondition ist schwach – letztes Jahr rettete die italienische Regierung die Banca Monte der Paschi di Siena, und zwar auf Kosten der italienischen Steuerzahler und gegen den Wunsch der Frankfurter Bankiers.2)EU clears Italy’s $6 billion state bailout for Monte dei Paschi, Reuters 2017-06-04.Die finanzielle Lage geriet noch mehr ins Wanken als es im Mai dieses Jahres Turbulenzen rund um die neue italienische Regierung gab – die italienischen BTPs (der italienischen Staatsanleihen) verloren 8% an Wert. Werden die Kurse weiterhin unter Druck stehen, werden die italienischen Banken diese Anleihen zu einem niedrigeren Preis und mit großen Verlusten abstoßen müssen, um sicherzustellen, dass ihre Solvenz nicht weiter gefährdet wird. Um den EU-Richtlinien zum Verschuldungsgrad weiterhin folgen zu können, werden sie die Zinsen erhöhen und weniger Kredite vergeben müssen.

Für die steigenden Rendite der italienischen Staatsanleihen ist auch die EZB verantwortlich. Als sich eben im Mai die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega zu einer Regierungskoalition vereinten, reduzierte die EZB auf einmal die Einkäufe der Staatsschulden Italiens,3)ECB, Asset purchse prorammes, ECB.was die Spekulationen gegen die BTPs noch verschärfte. So wollte Brüssel die euroskeptischen „Populisten“ bestrafen. Das bestätigte selbst Günther Oettinger, der Italien immer für unregierbar hielt. In einem Interview für die Deutsche Welle nannte er die Wirbel auf dem Finanzmarkt „ein Signal für die italienischen Wähler, die Populisten von links und rechts nicht zu wählen“.4)Exklusivinterview mit EU-Haushaltskommissar Oettinger, Deutsche Welle, 2018-05-29.Im Klartext – hätten sie etwa korrupte Demokraten gewählt, die Brüssel nicht aus der Reihe tanzen, hätte die italienische Verschuldung ruhig weiter von der EZB finanziert werden können.

Die Einführung der Parallelwährung (die von Italienern auch auch als eine „Fiskal-Währung“ bezeichnet wird, ist eines der Wahlversprechen der neuen italienischen Regierung, unter dem Motto „To make Italy Great Again”. Die Zentralbankiers aus Nordeuropa, mit denen wir darüber sprachen, waren entsetzt. Sie sind überzeugt, dass die Italiener einen solchen Plan gar nicht in Erwägung ziehen werden. Der Autor der Idee – Paolo Savona – der jetzige Europaminister Italiens behauptete schon 2015, dass Denominierung der Euro-Staatsschulden in die neue Fiskal-Währung – die neue Lira- für die heimischen Investoren neutral sei.5)Il Piano B per l’Italia nella sua interezza, scenarieconomici, Fabio Lugano, 2015-10-0.5Diese Behauptung stimmt aber nicht, denn seit Januar 2013 werden alle Staatsanleihen in der Eurozone mit einer sog. Collective Action Clause emittiert. CAC bedeutet, dass der emittierende Staat die Anleihebedingungen von allein nicht ändern darf – eine Änderung erfordert die Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger. Anteil der BTPs mit CAC gegenüber den ohne CAC steigt seit Jahren kontinuierlich. 2017 betrug er 48%, in diesem Jahr wird er schon 60% erreichen, so dass Savonis Plan kaum umsetzbar ist. Italiens droht also Staatsbankrott und die nächste Finanzkrise kann bald durch Probleme der italienischen Banken herausgelöst werden, die von den EZB- und Brüsseler Technokraten nur ungern gerettet werden, umso mehr als Lega und Movimiento 5 Stelle an der Macht sind.

References   [ + ]

1. Quantificazione delle missure Unicat, 2018, March 17.
2. EU clears Italy’s $6 billion state bailout for Monte dei Paschi, Reuters 2017-06-04.
3. ECB, Asset purchse prorammes, ECB.
4. Exklusivinterview mit EU-Haushaltskommissar Oettinger, Deutsche Welle, 2018-05-29.
5. Il Piano B per l’Italia nella sua interezza, scenarieconomici, Fabio Lugano, 2015-10-0.5

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