Der europäische Blickwinkel. Auf dem Weg in die Welt von Morgen.




Die Rasse und die Demographie spielen eine Rolle

COVID und ethnische Differenzierung der amerikanischen Gesellschaft – oder warum die Prosperity-Ära in den USA abrupt zu Ende gehen wird.

Die reale Wirtschaft Amerikas und Wall Street-Indizien klaffen immer krasser auseinander. Im Januar haben wir unsere Leser vor dem möglichen Krach gewarnt und ins Schwarze getroffen: Mitten in der COVID-Krise waren die Aktienkurse auf der Talfahrt. Nun, niemand, der Wirtschaftsdaten analysiert, hätte erwartet, dass wir innerhalb einiger Monate S&P 500, Dow Jones und Nasdaq auf ihren Allzeithochs wiedersehen würden. Wir haben schon früher darauf hingewiesen, dass für den Optimismus auf den US-Märkten kleine, meist unerfahrene Investoren verantwortlich sind. Die großen Investoren wie Buffet sitzen auf Cash, und Insider verkaufen ihre Aktien in einem Ausmaß, den wir letztens 2012 gesehen haben.

Was diese Rallye noch gefährlicher macht, ist die Tatsache, dass eigentlich die meisten Gelder in High-Tech investiert werden; die Einseitigkeit zeugt davon, dass Investoren Scheuklappen tragen und blind dem Trend folgen, an dem die Großen, die Mächtigen der Finanzwelt sich gar nicht mehr beteiligen. Der Trend gilt nicht nur für die USA, er ist global. Der Glaube an IT, die Kraft der Silicon Valley und die ganze Westküste der USA wurde absurd, während die Infrastruktur Kaliforniens Jahr für Jahr mit früher ungesehenen Bränden immer mehr gefährdet wird, während manche Ethnien in den ganzen USA langsam aber sicher eine Grube der Wirtschaft graben, in die sie selbst hineinfallen werden.

Die Daten für das laufende Jahr bestätigen, dass sich die Unterschiede zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen der Amerikaner vertiefen. Obwohl in der reichsten Gruppe (derjenigen, die über 60 000 Dollar pro Jahr verdienen) die Beschäftigung im April um 12% sank, erholte sie sich nach ein paar Monaten so, dass die Zahl der Beschäftigten den Zustand vor der COVID-Krise erreichte. Würde man die Bestverdiener als maßgebend für die Wirtschaft nehmen, könnte man also die US-Wirtschaft rosa sehen und ruhig Aktien kaufen. Aber die Mittelschicht sieht im Vergleich zu der Oberschicht düster aus. Am Anfang der Pandemie sank die Zahl in der Mittelschicht der Beschäftigten um 22% und ist zurzeit um 6% niedriger als vor einem Jahr. Wie sieht es aber in der Unterschicht aus, wo die die US-Gesellschaft ach so wertvolle Ankömmlinge aus Mittel und Südamerika, aus Afrika und Asien eine Mehrheit ausmachen? Unter denjenigen, die unter 27 000 Dollar pro Jahr verdienen, wurde im April 35% entlassen; heutzutage beträgt das Beschäftigungsniveau in dieser Gruppe nur 85% aus der Zeit vor der „Pandemie“.

Und schlimmer noch: in dieser Gruppe wächst die Beschäftigung seit 8 Wochen nicht mehr. Tatsache ist: im Moment sind etwa 16% der Afroamerikaner, 14% der Asiaten und 12% der Weißen in Amerika arbeitslos.1)Labor Force Statistics from the Current Population Survey, U.S. Bureau of Labor Statistics.

Black lives matter. Yellow lives matter. Wer wird die Wirtschaft wieder aufkurbeln? Indianer?

Noch wichtiger sind die Ersparnisse. Japaner und die Deutschen sind Nationen, die für ihre Sparsamkeit bekannt sind. Die ganze Abenomics, der Versuch des gerade aus dem Amt zurückgetretenen Shinzo Abe, die Japaner dazu zu bringen, mehr auszugeben und so die Inflation anzukurbeln, scheiterte. Der in Deutschland seit ein paar Monaten dramatisch sinkende Autoverkauf zeugt davon, dass die deutsche Seele der japanischen ähnlich ist. Außerdem: Kaum eine Nation ist so an Bargeld gebunden wie die Deutschen. Die Ersparnisse der Bürger sorgen in den beiden Ländern für eine gesunde Mittelschicht. Übrigens: Schade, dass diese Ersparnisse durch die Politik der Zentralbanken langsam verloren gehen.

Und die Ersparnisse nach Rassen in den USA? 41% der Latinos und 41% der „Afroamerikaner“ sind nach der COVID-Krise nicht mehr im Stande ihre monatliche Miete zu bezahlen. Die Generation der weißen Babyboomers hingegen, die ihre Ersparnisse vernünftig investierte und weiter investiert, gewinnt noch an der COVID-Krise, da die Aktien- und Immobilienpreise noch steigen. Noch dicker werden die Bonzen, da 1% der reichsten Amerikaner schon 50% Anteile an den US-Unternehmen besitzen. Für die jüngeren Menschen, egal, ob weiß, schwarz, gelb oder rot, sieht die Zukunft nicht rosa aus, da sie Kredite für ihr Studium, Haus, Auto, usw. zurückbezahlen müssen und so gut wie keine Ersparnisse horten können. Die Kluft in der amerikanischen Gesellschaft verläuft also auf verschiedenen Schichten. Teilungen betreffen sowohl Rassen, als auch Generationen, wobei Bildungsniveau auch einen starken Einfluss hat.

Die neue amerikanische Krise wird aus den ethnischen, demographischen und strukturellen Unterschieden der Gesellschaft resultieren. Die sozialen Spannungen werden in den USA wachsen und können sich nach den Präsidentenwahlen zuspitzen. Denken Sie mal bitte an die Französische Revolution zurück. Denken Sie daran, dass obgleich dieser Umsturz moderne Ideen mitgebracht haben soll, stürzte sie in der Tat Frankreich in Chaos und die alte, schöne Welt der Monarchie, vor der jeder in Europa Respekt gehabt hatte, untergrub.

Ist Joe Biden dazu fähig, diesen Zustand in der Wirtschaft und Gesellschaft mit einem Schlag zu verändern? Kann er den amerikanischen Unternehmergeist und das protestantische Arbeitsethos, auf denen Amerika aufgebaut wurde, wiederherstellen? Oder nur neue, „revolutionäre“ Ideen durchsetzen?

Die Börse ist wie ein sensibles Messgerät, das auf die künftigen Geschehnisse in der Gegenwart reagiert. Mal sehen, was nach den Wahlen auf Wall-Street passiert.

References   [ + ]

1. Labor Force Statistics from the Current Population Survey, U.S. Bureau of Labor Statistics.

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