Euro gibt es seit fast 20 Jahren. Der russische Transferrubel überlebte 25 Jahre. Die beiden Währungen haben etwas Gemeinsames: sie waren und sind keine Erfolgsgeschichte.
Die Einführung des Transfersrubels sollte den freien Handel zwischen den Ländern des Ostblocks ermöglichen. Die Schaffung des gemeinsamen Verrechnungssystems führte dazu, dass die Wechselkurse für die DDR-Mark, Zloty, Forint, Lew, ja sogar für den mongolischen Tugrik ganz willkürlich von der Sowjetunion festgesetzt wurden, ohne Rücksicht auf die Kaufkraft der Landeswährungen. In den 60-er war der bulgarische Lew 20% unterbewertet, und der polnische Zloty um etwa 45% überbewertet. Da der Transferrubel hinzu noch nicht in westliche Währungen konvertierbar war, blieb er eine Illusion und ein Mittel, mit dem sich die Sowjetunion auf Kosten ihrer Sattelitenstaaten bereichern und ihr Budget retten konnte: die Russen kauften Rohstoffe, Waren, Lebensmittel für konvertierbare Währungen im Westen und verkauften sie ihren „sozialistischen Freunden“ für Transferrubel. Die internationale Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die in Moskau saß, und alle Transaktionen im Transferrubel abwickelte, kehrte die wirklichen Handelsüberschusse und Defizite unter den Teppich. Als die Wende kam und die gemeinsame Verrechnungswährung auslebte, stellte sich heraus, dass die Sowjetunion ihren „Brüdern“ riesige Summen schuldet.
Die Situation mit dem Euro ist heutzutage ein bisschen anders. Es gibt doch gewisse Ähnlichkeiten an den roten Dollar (so haben manche den Transferrubbel bezeichnet). Erstens: es wird nämlich allen Ländern und Bürgern der Eurozone ständig eingeredet, dass der Euro für sie alle günstig sei, was nicht stimmt. (Die Fakten dazu finden Sie in unseren anderen Artikeln)1)Nach Draghi beginnt die Euro-Krise 2020, Gefira 2018-02-05.,2)Euro – eine Katastrophe – gescheiterte Währungsunionen früher und heute, Gefira 2018-01-17.,3)Paris – die Hauptstadt West- und Zentralafrikas, oder: wofür zahlt ihr liebe Steuerzahler der Eurozone, Gefira 2017-12-04.Zweitens: der Euro begünstigt die Handelsbilanzen der einen Länder (Deutschland, Frankreich), schadet aber den anderen (PIGS-Länder). Drittens: der Euro als Transferwährung trägt dazu bei, dass Schuldenberge wachsen. Viertens: die Euro-Zone wurde künstlich ausgedehnt – zum Glück nicht bis in die Mongolei – aber Italien und Griechenland erfüllten und erfüllen die Kriterien von Maastricht nicht. Das war der Grund für Finanzkrisen und wird auch in der Zukunft sein.
Es gibt ja auch Unterschiede zwischen dem roten Dollar und der gemeinsamen Währung der EU. Erstens: der Euro dient nicht nur zur Verrechnung, er ist die einzig geltende Währung in den Ländern der brüderlichen EU-Gemeinschaft. Der Traum der Kommunisten wurde wahr und die Zentralbanken der Mitglieder der Eurozone wurden zu Zombies, die angeblich mitentscheiden dürfen. Zweitens: die Schuldenberge wachsen woanders – nicht der Emittent/Verwalter der Währung ist verschuldet, sondern die „Nutznießer“, die der Eurozone beitraten.
Über Schulden Griechenlands wurde still, da das Land eine riesige Geldspritze aus der EZB erhielt; Verschuldung Italiens und Spaniens wird doch bald für schlaflose Nächte der Entscheidungsträger in Rom, Madrid, Brüssel und Berlin sorgen.
Das Pendant des sowjetischen Transferrubels ist in der EU genau gesagt aber nicht der Euro, sondern Target 2. Es ist ein Zahlungsverkehrssystem, in dem Banken grenzüberschreitende Zahlungen in der Echtzeit abwickeln. Im Target 2 entstehen Überschüsse oder Defizite, wenn Geld von einem Land der Eurozone in ein anderes fließt. Während der Zuspitzung der letzten Euroschuldenkrise 2011 und 2012 flüchtete Kapital aus besonders betroffenen Ländern wie Spanien und Italien durch den Bankenmarkt des Target 2 in Länder wie Deutschland und Luxemburg, die als sichere Häfen betrachtet wurden. Deutschlands Forderungen gegenüber den ärmeren südeuropäischen Ländern erreichten damals 700 Mrd. Euro (siehe Schaubild oben). Erst als der Chef der EZB Mario Draghi klarmachte, dass er notfalls in die Bilanz durch Druck zusätzlicher Euro einspringen könnte, normalisierte sich die Lage. Target 2 beugte dem Kollaps der Länder vor. Wären Spanien bei Peso und Italien bei Lira geblieben, hätten sie kollabiert. Target 2 schützte sie vor dem Bankrott auf Kosten der deutschen, luxemburgischen und niederländischen Bürger. Seit 2015 beobachten wir doch wieder die Kapitalflucht Richtung Norden, und zwar in der Zeit, wenn die Gelddruckmaschine in Frankfurt am Main wie verrückt arbeitet. Diesmal resultiert die Kapitalflucht aber daraus, dass Draghi 2015 QE startete und die Bundesbank Anleihen auf dem Markt zurückzukaufen begann.
Die italienische Zentralbank ist von der EZB abhängig und muss italienische Staatsanleihen ankaufen. Deutsche Investoren müssen diese Anleihen in Euro in Italien umtauschen und die Gelder über Target 2 in ihre deutsche Bank überweisen. Die wachsenden Differenzen in den Target 2-Bilanzen resultieren also daraus:
- dass die Deutschen, die im Besitz der italienischen Anleihen sind, sie in Italien auflösen und die so gewonnen Gelder nach Deutschland transferieren. Es ist die Konsequenz der früheren Probleme mit Handelsbilanzen: Italiener kauften in der Vergangenheit deutsche Produkte für ihre Anleihen. Daher hat Deutschland mehr Forderungen als jeder seiner Nachbarn.
- dass Italiener ihre Anleihen liquidieren und ihre Gelder ins Ausland schicken – eine gewöhnliche Kapitalflucht.
So entstanden wieder enorm hohe Forderungen auf der deutschen Seite. Sie erreichten in diesem Jahr schon eine Billion Euro also gut 25% des deutschen BIPs.
Die immensen deutschen Target-2-Forderungen, sind durch keinerlei Sicherheiten gedeckt. Wenn Italien oder Spanien aus der Euro-Zone austreten, werden die Deutschen dumm da stehen. Unruhen deswegen gibt es in Deutschland noch nicht, denn das Vertrauen gegenüber der Bundesbank ist in Deutschland bekannt. Jaques Delors sagte einmal: “Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle glauben an die Bundesbank.” Alle glauben auch wohl an die EZB und Mario Draghi. Der wollte auf seiner Pressekonferenz am 26. Juli dieses Jahres beruhigend wirken, als er über Target 2 sprach: „Es hat nichts mit dem Kapitalverkehr von Land zu Land zu tun.“4)ECB Press Conference, YouTube 2018-07-26.Es sind tatsächlich nur Verrechnungssalden, die solange überzogen werden können, solange niemand aus der Eurozone austritt.
Italien darf also nicht die Eurozone verlassen. Es ist „too big to fall“: seine Verschuldung beträgt 2,3 Billionen Euro (!), die Verbindlichkeiten im Target 2 stiegen im Juni 2018 von –164,5 Mrd. 2015 auf -481 Mrd. Euro. Das bedeutet, dass die Banca d’Italia der Bundesbank fast eine halbe Billion schuldet!
Auf der einen Seite steht Draghi, der Italiener, der seine Position nutzt, um sein Land zu retten, auf der anderen Seite stehen viele deutsche Wirtschaftswissenschaftler, die Target 2 kritisieren. Bekannt ist vor allem Professor Hans Werner Sinn, für den Target 2 ein Scheck ist, den man nicht einlösen kann. In einem seiner Artikel schildert er die Lage in Spanien und Italien so: „In diesen Ländern regieren radikale Sozialisten, die von Haushaltsdisziplin nichts wissen wollen, in Italien wurden die alten Parteien weggefegt. Die radikale Regierung aus Fünf Sternen und Lega will unter dem Schutz der anderen Euro-Länder viel mehr Kredit aufnehmen als ohnehin und droht, den Euro zu verlassen, wenn ihr die EU dies verwehrt.“5)Der Euro ist keine Erfolgsstory, Handelsblatt 2018-07-31.
Draghi steht auf einem anderen Standpunkt: „Der Euro ist unverzichtbar, da er stark ist, da ihn sich Gesellschaften wünschen (!), und es liegt im Interesse von niemand, über den Sinn seines Bestehens zu diskutieren. Es lohnt sich nicht über Abschaffung dessen zu diskutieren, was unausweichlich (!) ist. Das kann nur Schaden zufügen.“6)ECB Press Conference, YouTube 2018-06-17.Genosse Draghi, natürlich, Sie haben Recht, unser Transferrubel ist unantastbar, und es lohnt sich nicht, über das Bestehen unserer (sozialistischen?) Gemeinschaft und Währung zu diskutieren. Sie wird noch weitere 1000 Jahre bestehen!
1990 schuldete Russland Deutschland aufgrund der Außenhandelsbilanzen 6,4 Milliarden Transferrubel (7,4 Mrd. Euro). Schröder verschenkte Putin 7,1 Mrd., und Russland zahlte nur 500 Mio. Euro zurück.7)Schröder erlässt Putin 7,1 Milliarden Euro Schulden, Die Welt 2002-04-11.Wieviel wird Merkel in den Süden verschenken, wenn etwas schlimm geht?
References
1. | ↑ | Nach Draghi beginnt die Euro-Krise 2020, Gefira 2018-02-05. |
2. | ↑ | Euro – eine Katastrophe – gescheiterte Währungsunionen früher und heute, Gefira 2018-01-17. |
3. | ↑ | Paris – die Hauptstadt West- und Zentralafrikas, oder: wofür zahlt ihr liebe Steuerzahler der Eurozone, Gefira 2017-12-04. |
4. | ↑ | ECB Press Conference, YouTube 2018-07-26. |
5. | ↑ | Der Euro ist keine Erfolgsstory, Handelsblatt 2018-07-31. |
6. | ↑ | ECB Press Conference, YouTube 2018-06-17. |
7. | ↑ | Schröder erlässt Putin 7,1 Milliarden Euro Schulden, Die Welt 2002-04-11. |