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Der Wahlsieg der Konservatisten in Polen wird Europa keinen Schaden stiften

Der Machtwechsel in Polen zur  mehr konservativen Macht erregt Besorgnis in vielen Ländern Europäischer Union. Der durchschlagende Wahlsieg der Partei „Recht und Gerechtigkeit” (Prawo i Sprawiediwość) und selbstständiges Regieren dieser Partei können wirklich grosse Änderungen in europäischer Politik auslösen, die sich  nicht unbedingt als schädlich erweisen müssen. Polen würde vermutlich dazu neigen, sich dem EU-Reformen-Konzept von David Cameron anzuschliessen, was Grossbritanien vor dem „Brexit” vielleicht retten könnte.

Die Partei „Recht und Gerechtigkeit” (PiS), mit ihrem Vorsitzenden Jarosław Kaczyński hat nach dem acht Jahre dauernden Zeitraum der Regierung von Bürgerplattform wieder nach der Macht gegriffen. Die Bürgerplattform,ohne ihren Leader, Donald Tusk, war nicht mehr imstande zahlreiche Einwände zurückzuweisen. Der Wahlsieg von PiS ist weder sensationell, noch revolutionär, obwohl die Ausmasse dieses Sieges überraschen können. Die PiS wird wahrscheinlich selbstständig regieren können, besonders wenn sie noch den zusätzlichen Trumpf in Person des aus der gleichen Gruppierung stammenden Präsidenten, Andrzej Duda, hat.

Die Wirtschaft wird sich bewahren

Die PiS hat weder in Polen, noch im Ausland gute Presse. Die Behauptung, es sei eine ultranationalistische Partei ist nicht wahr. Man kann sie auch schwer als Konservatisten im engeren Sinne des Wortes bezeichnen, obwohl diese Partei konservative Weltanschauung vertritt und auf christliche Werte oft zurückgreift. Mit ihren Meinungen über Wirtschaft kommt sie eher dem linken Flügel nahe. Während des Wahlkampfes wurden vonseiten der Politiker sehr viele kostbare, populistische Versprechungen gemacht, angefangen von der Revokation der Reform der Alterssicherung, bis zur Einführung der Umsatzsteuer vom Grossflächenhandel (der generell durch ausländisches Kapital dominiert ist).

Unser Team vertritt die Meinung, dass es trotzdem keine Gründe zur Panik gibt. Die Regierung von Beata Szydło (die vom Partei-Leader der PiS, Jaroslaw Kaczyński zur künftigen Ministerpräsidentin ernannt wurde), wird ihre Versprechungen der Realität anpassen müssen, und deren Realisierung auf späteren Zeitpunkt verschieben, oder sie in modifizierter Form durchführen, um, einerseits, seinen Wählern treu zu bleiben, und andererseits, den öffentlichen Finanzen keine Schäden anzurichten.

In Jahren 2005-2007, als die PiS zum ersten Mal an der Macht war, waren staatliche Finanzen Polens in sehr guter Verfassung. Unserer Meinung nach, gibt es keinen Grund zu befürchten, dass PiS, die in ihren Reihen auch ökonomische Liberale hat, zur drastischen Erhöhung des Budgetdeffizits und der Staatsschuld führen würde. Wir finden auch nicht, dass die neue Regierung  ihre gegen den Banksektor gerichteten Ansagen in die Praxis einführt. In Konfrontierung mit der Realität wird der Pragmatismus siegen. Jetzt, nach den Wahlen, würde ein Börsen- oder Währungszusammenbruch im Widerspruch zu Parteiinteressen stehen.

Neue geopolitische Dimension

Der Regierungswechsel in Polen ist mehr bedeutsam für die geopolitische Situation als für die wirtschaftliche Lage. Im Bereich der Geopoltik erfolgen auch keine revolutionären Änderungen.
Aus den Aussagen des Präsidenten Duda lässt sich nicht schliessen, dass Polen nach vielen Jahren guter Beziehungen mit Deutschland, ihrem grössten Handelspartner plötzlich den Rücken zukehrt.
Aber, es besteht kein Zweifel, dass für Kanzlerin Angela Merkel die Zusammenarbeit mit Polen nicht mehr so glattgehen wird.

Von der früheren Regierung, in der die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska) erste Geige spielte, war die Kanzlerin akzeptiert. Die meisten Handlungen der Kanzlerin wurden durch diese Regierung unterstützt. Sogar das EU-Quotensystem für Verteilung der Flüchtlinge ist akzeptiert worden. Die Ideologie der Partei „Recht und Gerechtigkeit” unterscheidet sich von der Ideologie der Bürgerplattform, obwohl beide Parteien von der rechten Seite der politischen Bühne herstammen und beide sich ursprünglich an der „Solidarität” stützten.

Geopolitische Änderungen lassen sich folgendermassen kurzfassen:

  1. Einen Schwerpunkt auf das Bündnis der Mitteleuropäischen Länder, und unter denen auf die Visegrad-Gruppe (Polen, Tschechien, Ungarn und Slowakei), setzen.
  2. Einen Schwerpunkt auf Gewährleistung der Sicherheit durch die NATO setzen.
  3. Eine Vereinbarung der EU-Reform mit David Cameron schliessen.

Am wichtigsten scheint die dritte Vorgabe zu sein. Die Partei „Recht und Gerechtigkeit” gehört im Europaparlament zu derselben Fraktion, zu der auch Camerons Tories – Europäische Konservatisten und Reformatoren – gehören. Obwohl es zwischen Polen und Britten über viele Probleme Meinungsunterschiede gibt, findet der britische Ministerpräsident in der neuen Regierung Polens einen geeigneten Partner zur Durchsetzung der EU-Reform, um das Vereinigte Königreich in EU bleiben zu lassen.

Mit der neuen Regierung kann Polen zum Camerons Hauptverbündeten werden, denn die Politiker von PiS sind eindeutig gegen Föderalisation der EU und befürworten eine grössere Rolle der Staaten in der Union. Es liegt auch nicht im Interesse Polens, dass ein der grössten EU-Mitgliedstaaten, der, erstens: nicht zur Eurozone gehört, und zweitens: ein gewisses Gegengewicht zu Deutschalnd schafft, die EU verlässt.

sojusznicy pisuPotentielle Verbündete Polens im Zeitraum der Regierung von „Recht und Gerechtigkeit”

Die nächste brennende Frage ist die Migration. In dieser Sache könnte die neue Regierung den Vorschlägen Europäischer Kommission weniger gefügsam sein, als die vorherige.
Das  V-4-Übereinkommen könnte, hingegen, an Bedeutung gewinnen, obwohl noch vor kurzem der Zerfall der Visegrad-Gruppe prognostiziert wurde. Gleich nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse hat Jarosław Kaczyński an die Ideologie seines Zwillingsbruders, Lech Kaczyński, der ein grosser Befürworter eines Bündnisses mitteleurpäischer Länder war, erinnert.

Die ungelöste Frage der Tragödie des Absturzes presidentiellen Flugzeugs in der Nähe von Smolensk, 2010, in dem u.a. Lech Kaczyński ums Leben gekommen ist, könnte die bereits mediokren Verhältnisse zwischen Polen und Russland noch verschlechtern. Für Russland ist der Wahlsieg von PiS kein Grund zur Besorgnis. Trotz der Unteschiede zwischen beiden Ländern, wird sich Polen dem Block dieser Länder anschliessen, die gegen eine engere Integration innerhalb der EU sind, und das ist für Putin von Nutzen. Die Stellungnahme Polens zur Ukraine wird sich nicht ändern. Die PiS-Regierung wird auch ukrainische Bestrebungen nach der Integration mit der EU befürworten. Die „alten Lasten” zwischen Polen und der Ukraine, d.h. der Massaker bei Wolhynien in 1943 und die gegenwärtige Glorifizierung dessen damaligen Täter, der Ukrainischen Aufständischen Armee und der Organisation Ukrainischer Nationalisten in der Ukraine, werden der neuen Regierung Polens auch nicht gleich sein.

Quellen

1. Eurosceptics claim victory in landmark Poland election Source: Reuters 26-10-2015
Poland’s eurosceptic Law and Justice party (PiS) claimed victory on Sunday in a watershed election that risks putting the ex-communist state on a collision course with key European Union allies.

2. Poland Ousts Government as Law & Justice Gains Historic Majority Source: Bloomberg 25-20-2015
Poland’s opposition Law & Justice party is on course for an election victory unprecedented in the country’s modern history as it sweeps into power pledging a tougher stance on refugees and more state control over the economy.


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