Der europäische Blickwinkel. Auf dem Weg in die Welt von Morgen.




Russland ist an allem schuld

1992, als der Kalte Krieg zu Ende war, wurde ein amerikanischer Politologe durch seinen Spruch bekannt: „Die Geschichte ist an ihr Ende gelangen“ – die liberale Demokratie und das kapitalistische Wirtschaftsmodell gewann, dem Rest der Welt bleibt also nichts anderes übrig, als sich die triumphierenden westlichen Werte anzueignen, weil nur sie Frieden und Wohlfahrt sicherstellen können.

Solch ein Gedankengang wurde im Westen zum Dogma in den internationalen Beziehungen, und deswegen ist der Westen davon überzeugt, dass er, unter dem Vorwand Menschenrechte und parlamentarische Demokratie zu verteidigen, eine Mission in der ganzen Welt zu erfüllen hat. Eine gewisse Zeit funktionierte es irgendwie. Die meisten Länder Osteuropas übernahmen, ohne zu zögern, das westliche Modell der Demokratie und des Kapitalismus und es sah danach aus, dass sogar Russland dem Modell folgt.

Manche Intellektuelle zollten also der Idee Beifall, dass der Rest der Welt darauf angewiesen ist, den Kapitalismus und die westliche Demokratie anzunehmen oder aber er wird dazu gezwungen. So gebar in den USA der Neokonservatismus, der später auch über den Atlantik verschleppt wurde. Er wurde von der berüchtigten Doktrin von Wolfowitz untermauert,1)U.S. strategy plan calls for insuring no rivals develop, The New Yorks Times.die Folgendes bedingte:

  • die amerikanische Vorherrschaft muss erhalten bleiben, indem man sich jeder, auch der erst entstehenden Macht, die sie gefährdet, aktiv entgegensetzt;

  • einseitigen Interventionismus;

  • Präventiveinsätze;

  • Unterminierung Russlands durch Ausschluss aus seiner Interessensphäre der Länder, die die westlichen Werte noch nicht annahmen, z.B. der Ukraine;

  • die muslimische Welt soll, auch wenn das wider ihren Willen ist, Israel unter den von ihm diktierten Bedingungen akzeptieren.

Im ersten Jahrzehnt unseres Jahrtausends übermannten die Neokonservativen die amerikanische Republikanische Partei und die britische Arbeitspartei und konnten auf die Unterstützung aus Italien (Berlusconi) und Spanien (Aznar) rechnen. Im nächsten Jahrzehnt expandierte die neokonservative Ideologie weiter, weil die misslungenen Militäreinsätze, die die ungehorsamen Regierungen umzustürzen sollten, durch verdeckte Operationen und Rüstung lokaler Gruppierungen in Libyen, Syrien, Tunesien, Ägypten, Georgien und in der Ukraine ersetzt wurden.

Anhänger der Neokonservativen übernahmen das amerikanische Außenministerium, und ihre Rolle wurde verstärkt durch die Ernennung Victoria Nulands, der Frau von Robert Kagan, dem zweitwichtigsten Ideologen der Neokonservativen (nach Wolfowitz), zur Assistentin des Außenministers für europäische Angelegenheiten. Die Neokonservativen haben den Medien ihre Art aufgezwungen die Realität zu beschreiben: die mutmaßlichen Verbrechen der nicht gehorsamen Regierungen in Syrien, Russland und Libyen werden publik gemacht, ganz geschwiegen wird von „antidemokratischen“ Geschehnissen in den angefreundeten Diktaturen wie etwa in Saudi Arabien.

Die Mission, der die Neokonservativen so ergeben sind, wurde nie für erfüllt erklärt. Was sich änderte, ist es, wie die Bürger der westlichen Länder den Maßnahmen ihrer politischen Führern gegenüberstehen, die Regierungen in anderen Ländern umstürzen und neue Staaten unter der westlichen Vorherrschaft aufbauen (lassen); zusammen mit den steigenden Opferzahlen und Kosten solcher Maßnahmen, begann sich in der öffentlichen Meinung Widerstand gegen den weltweiten Interventionismus durchzusetzen. Die britische Arbeitspartei musste sich als die erste mit den unzufriedenen Mitgliedern auseinandersetzen: die Anhänger von Blair wurden allmählich vertrieben, und an ihrer Stelle geschworene Pazifisten und Gegner der NATO wie Jeremy Corbyn bevorzugt. Dann gewann Trump die Wahlen mit seinem Spruch „Zuerst Amerika“, sprich dem Interventionismus einen Schlussstrich zu ziehen und Protektionismus einzuführen, wodurch er einen harten außenpolitischen Kurs vertretende Kagan2)Robert Kagan and Other Neocons Are Backing Hillary Clinton, The Intercept.und Wolfowitz3)Paul Wolfowitz: ‘I might have to vote for Hillary Clinton’, Politico.besiegte, die öffentlich Hillary unterstützten. Sarkozy und Juppè wurden in den Vorwahlen in Frankreich von Fillon besiegt, der gegen den Handelskrieg gegen Russland, den Lieblingsfeind von den Neokonservativen, plädiert. Die von den Neokonservativen geprägten Mächtigen Westens müssen dem politischen Erdrutsch die Stirn bieten, der nicht nur von unten kommt. Der Gewinn Trumps bedeutet nichts anderes, als Übergabe der Macht von der einen einflussreichen Gruppierung zu der anderen, weil einem Teil des Establishments voll bewusst wurde, dass Probleme in den USA und in Europa mal gelöst werden müssen. Nach 14 Jahren Krieg in Afghanistan und im Irak fließt Blut jetzt auch auf den Straßen von Paris und Berlin. Nachdem Al Kaida ausgerottet und Osama bin Laden beseitigt worden waren, hätte niemand geglaubt, dass Zivilisten auf den Straßen Europas getötet werden. Mehr glaubwürdig wäre hier wohl die Behauptung: das was auf den Straßen Europas passiert, ist die Folge der wahnsinnigen Politik, die es zulässt, fremde Länder zu bombardieren, und gleichzeitig ihre Einwohner nach Europa zu holen. Glauben also die westlichen Führer im Moment noch welche Argumente zu haben? Mittlerweile beginnt Russland wieder eine wichtige Rolle als Global Player zu spielen.

China wurde zur Drehscheibe der Produktion, schuf seine eigenen Finanzinstitutionen, die immer mehr von den amerikanischen und europäischen Finanzsystemen unabhängig werden. 2015 führte China sein unabhängiges System CIPS ein,4)Cross-Border Inter-Bank Payments System, Wikipedia.als eine Alternative für SWIFT, das über 30 Jahre lang als Haupttransaktionssystem zwischen den Banken funktionierte.

Die herrschenden Klassen müssen endlich die gewaltigen demografischen Veränderungen wahrnehmen. Der Anteil der Weißen an der Bevölkerung der USA fiel von 79,6 Prozent 1980 auf 61,9 Prozent im Jahre 2014, wobei auch der Anteil der Amerikaner mit der afrikanischen und asiatischen Herkunft stieg.5)Decline of America’s white population speeds up: study, New China.Europa steckt im Multi-Kulti-Sumpf und die Spirale der Gewalt dreht sich immer schneller. Afrikanische und islamische Minderheiten sind feindlich gesinnt gegen die westlichen Gesellschaften und fordern offen zu Gewaltakten in unzähligen Musikvideos im Internet auf.

Die herrschenden Klassen Deutschlands verleugnen die Wirklichkeit, und die Führer der französischen Republikaner glauben Kontrolle wiederzuerlangen, indem sie an die Muslims ein paar harsche Worte richten und die französische Gesellschaft mit den bisher nicht gekannten Sparmaßnahmen beglücken.

In den USA sind auch Menschen aufzufinden, die für eine Änderung der amerikanischen Politik im Nahen Osten eintreten. So Richard Hass, der Vorsitzende des Rates für Internationale Beziehungen, der es lieber hätte, dass die USA ihre Überlegenheit in der Diplomatie und in der Wirtschaft nutzen würden, um ihren Einflussbereich in den Ländern Süd-Ost-Asiens auszuweiten, statt sich mit den syrischen Stämmen zu beschäftigen. Er hätte es auch lieber, dass die USA bei sich zu Hause Ordnung wiederherstellen würden und sich nicht mehr in Probleme, die die irakischen Städte Mosul, Fallujah oder die libysche Stadt Sirte betreffen, einmischen.

Die Welt, die von den Neokonservativen kreiert wurde, erreichte ihren Höhepunkt und zerfällt direkt vor unseren Augen. Wie werden sie darauf reagieren? Dass ein Regierungsumsturz irgendwo misslingen kann, haben sie wohl in Kauf genommen, dass sie aber im Westen Niederlagen in Wahlen verzeichnen mussten, musste sie überrascht haben. Deswegen mobilisierten sie vor lauter Frust und Wut Außenministerium der USA und die Mainstream-Medien zu einem massiven Angriff auf Russland, das ohnehin verpönt wird. Die Neokonservativen warfen Russland alle ihre Misserfolge vor: so verbreiten sie die Nachricht, ohne dafür irgendwelche Beweise zu haben, dass Russland Donald Trump half, die Wahlen zu gewinnen.

Reicht‘s? Wem denn sonst? Die übergebliebenen neokonservativen Anhänger von Blair schlossen sich denjenigen an, die behaupten, dass „Brexit von russischen Hackern verursacht wurde“.6)Labour MP claims it’s ‘highly probable’ Russia interfered with Brexit referendum, Independent.Und Gustav Gressel vom Europäischen Rat für Auswärtige Angelegenheiten behauptet, dass hinter der Welle der sexuellen Vergewaltigungen die russischen Geheimdienste stünden7)Propaganda-Feldzug sogar mit Sexmobs, Bild.(und nicht etwa die europäische Politik der offenen Grenzen), die dadurch die Glaubwürdigkeit Merkels vor den anstehenden Wahlen in Frage stellen wollten. Wenn etwas im Plan des westlichen Establishments schief geht, ist Russland schuld daran. Mal sehen, was Russland noch in den Mund gelegen wird.

References   [ + ]

1. U.S. strategy plan calls for insuring no rivals develop, The New Yorks Times.
2. Robert Kagan and Other Neocons Are Backing Hillary Clinton, The Intercept.
3. Paul Wolfowitz: ‘I might have to vote for Hillary Clinton’, Politico.
4. Cross-Border Inter-Bank Payments System, Wikipedia.
5. Decline of America’s white population speeds up: study, New China.
6. Labour MP claims it’s ‘highly probable’ Russia interfered with Brexit referendum, Independent.
7. Propaganda-Feldzug sogar mit Sexmobs, Bild.

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