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Obamas Strategie gegen Syrien: warum sie scheiterte (und warum sie scheitern musste)

Syrien stand schon längst im Mittelpunkt der Interessen von Neokonservativen. Nachdem Saddam Hussein im Irak beseitigt worden war, sagte Paul Wolfowitz, der Hauptideologe der Neokonservativen, der stellvertretende Außenminister von George Busch und der Initiator des Angriffs auf den Irak, dass „in Syrien Änderungen vor sich gehen müssen.“1)Syria could be next, warns Washington, The Guardian.Die Schwierigkeiten, die die amerikanischen Einsatzkräfte im Irak zu überwältigen hatten, sowie ein gewaltiges Umdenken zum Golfkrieg in der amerikanischen Öffentlichkeit, hatten zur Folge, dass Bushs Regierung und die neokonservativen Kreise gezwungen wurden, die Realisierung ihrer Pläne beiseitezulegen.

Der ursprüngliche Plan und die ersten Probleme

2011 rief Obama eine große Allianz mit Frankreich, Großbritannien, Israel, der Türkei, Katar und Saudi Arabien ins Leben, um Assad zu beseitigen und den Machtwechsel in Syrien zu Stande zu bringen, was eine Fortsetzung der Politik „des liberalen Interventionismus“ von George Bush (so nannte sie Robert Kagan, der bekannte Ideologe der Neokonservativen) bedeutete.

Im August 2013 sollte Assads Regierung Chemiewaffen gegen Rebellen eingesetzt haben und Obama fand schließlich den Vorwand, unter dem er Syrien angreifen konnte, wozu er auch vom amerikanischen Senat grünes Licht bekam.2)S.J.Res.21 – Authorization for the Use of Military Force Against the Government of Syria to Respond to Use of Chemical Weapons, Congress.gov.Dass Assads Armee sich Sarin bediente, erwies sich später als Lüge,3)The Red Line and the Rat Line, London Review of Books.ebenso wie früher die mutmaßlichen Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein, die Bushs Regierung als Vorwand zum Angriff auf den Irak nutzte.

Der amerikanische Einmarsch in Syrien kam doch nicht zustande; während Obama sich um die Zustimmung des Kongresses bemühte und sie endlich erhielt, scheiterte sein Hauptverbündeter David Cameron, der Ministerpräsident Großbritanniens, bei seinem Versuch dieselbe Zustimmung seitens des britischen Parlaments zu bekommen,4)British Prime Minister David Cameron loses parliamentary vote on Syrian military strike, Washington Post.Obama, dem nunmehr nur Frankreich als Alliierter verblieb, war nicht mehr im Stande eine neue Koalition zu bilden. Die Protestwelle im Westen gegen die Intervention zwang ihn zu einer strategischen Kehrtwende. Die Mitglieder der neuen Koalition erhielten nun Aufgaben, die an ihre Möglichkeiten angepasst waren: Frankreich, Großbritannien und die USA sollten den Rebellen Schulungen und Waffen sichern; Israel und die Türkei kümmerten sich um die Logistik; Katar und Saudi Arabien ums Geld, um Waffenlieferungen sowie um Kämpfer von salafistischen Gruppen wie Al-Nusrah, die Beziehungen zu Al-Kaida hatte.

Ein gemeinsames Ziel: Assad beseitigen

Jeder der Mitglieder der von Obama gebildeten Koalition hatte seine Gründe, warum er Syriens Präsidenten eliminieren wollte.

  • Saudi Arabien, Katar und die Türkei würden ihn gerne gegen einen sunnitischen Führer austauschen (Assad ist alawitischer Schiit), was den Bau der Pipeline aus Katar über Saudi Arabien nach Europa ermöglichen würde(siehe Karte). Die würde große wirtschaftliche Gewinne für die Golfstaaten bedeuten und wäre eine Alternative gegenüber der Pipeline aus dem Iran nach Europa, die die Golfstaaten umginge und die schiitischen Länder, ihre (von der Geschichte her) ewigen Feinde, begünstigen würde.

  • Israel würde gerne die Region ins Chaos stürzen, um den schiitischer Iran und die schiitische Hisbollah zu schwächen.

  • Die US-Führung und ihre Verbündeten von der NATO, also Frankreich und Großbritannien, möchten sich von den russischen Öllieferungen unabhängig machen, was erklärt, warum der Bau der Pipeline aus Katar für sie so wichtig war.

  • Die französichen und britischen Eliten hofften, mit dem Katar noch mehr kooperieren zu können, da die katarische Königsfamilie bei ihnen Riesensummen investierte,5)Qatar investments in France stands at $22bn, says French minister, Gulf Times; Qatar one of London’s biggest landlords as portfolio expands, The New Arab.sogar in Fußballmannschaften wie Manchester City oder Paris Saint Germain.

  • Zuletzt die Türkei, die ursprünglich darauf hoffte, dass die Entmachtung Assads den Weg zur Allianz der Sunniten aus Syrien, Ägypten und Libyen unter ihrer Führung bahnen wird. Unter ihrer Führung im Nahen Osten, um die sie gegen den Iran und Saudi Arabien ringen muss. Wir erinnern hier, dass die Araber vor 100 Jahren nach der Schlacht bei Mekka die Stadt von Osmanen eroberten. Recep Tayyip Erdoğan sieht sich eher als Nachfolge vom Süleyman dem Prächtigen als vom Kemal Atatürk.

Auf die Dauer – widersprüchliche Ziele

Zwar waren alle im Westen sich darüber einig, dass Assad entmachtet werden sollte, doch jedes Mitglied der Koalition schmiedete zu Syrien ganz verschiedene, mit den anderen Mitgliedern unvereinbare Pläne. Die Interessenkollision sah so aus:

  • Israel hatte nicht vor, einen starken schiitischen Gegner gegenüber einem starken sunnitischen, insbesondere salafistischen auszutauschen, der zu den extremsten Splittergruppen Islams gehört. Ein langfristiges Ziel war Chaos hervorzurufen, der dem Auftauchen eines starken Gegners vorbeugen sollte, wodurch es zu einem Konflikt Tel Avivs mit Saudi Arabien kommen könnte.

  • Die von der Türkei kontrollierte Al Nusra ließ sich auf die bewaffnete Auseinandersetzung mit den kaum kontrollierbaren, von Saudi Arabien inspirierten Salafisten ein, die unter der Fahne des IS tätig sind: zuerst wandten sie sich gegen die Alliierten aus dem Westen, indem sie den Irak angriffen, dann würden sie sich früher oder später gegen die Türkei wenden.

  • Die USA standen plötzlich auf dem Scheideweg der Interessen von Israel, das sich verteidigen musste, und von Saudi Arabien, das am schwachen Syrien zu gewinnen versuchte. Das Ende der unlogischen Koalition zwischen Neokonservativen, Zionisten und Salafisten wurde besiegelt. Man begann die Kurden in Rojava (im syrischen Kurdistan) zu unterstützen, was eine Ad-hoc-Strategie war, um den IS (der des Willens ihrer Machtgeber ungeachtet in den Irak eindrang) in Konflikt einzumischen. So wandte sich die Koalition gegen die Interessen der Türkei.

Als der entscheidungsunfähige Obama sich mit diesen verschiedenen Interessen auseinandersetzen musste, und die Saudis die Schar der salafistisch-dschichadistischen Gruppen nicht mehr zu beherrschen vermochten, die im Bürgerkrieg entstanden waren, beschlossen die Russen militärisch in den Krieg in Syrien an der Seite von Assad zu intervenieren. Inzwischen, 4 Jahre nachdem Hillary Clinton gesagt hatte, dass “Assads Tage gezählt sind”,6)Hillary Clinton: Bashar’s Days Are ‘Numbered’, The Atlantic.ging Obamas Amtszeit zu Ende, und Hillary Clinton, die seine Außenpolitik realisierte, wurde von Donald Trump besiegt, der den Rückzug der USA aus dem Nahen Osten ankündigte. Dann starb König Abdullah in Saudi Arabien, François Hollande gelang am Tiefpunkt seiner Popularität,7)Record low for Hollande with 4% approval rating, Media Watch 2016-10-25.so dass er sich gezwungen fühlte anzukündigen, dass er für die zweite Amtszeit nicht antreten wird, der türkische Präsident Erdoğan tauschte (teilweise) seine Allianz mit den USA gegenüber dem Bündnis mit Russland, und Assad befreite Aleppo.

Wer weiß, vielleicht wäre es besser gewesen, wenn die Neokonservativen ihre weitgehenden Pläne geändert hätten, bevor sie mit der Operation des „Regimewechsels“ begannen. Wenn sie gewusst hätten, dass ihre Pläne zum Scheitern verurteilt sind, hätten sie sie lieber nicht verworfen sollen? Geschweige die unzähligen Opfer, die diese misslungene Operation mit sich brachte.

Syrian pipes

References   [ + ]

1. Syria could be next, warns Washington, The Guardian.
2. S.J.Res.21 – Authorization for the Use of Military Force Against the Government of Syria to Respond to Use of Chemical Weapons, Congress.gov.
3. The Red Line and the Rat Line, London Review of Books.
4. British Prime Minister David Cameron loses parliamentary vote on Syrian military strike, Washington Post.
5. Qatar investments in France stands at $22bn, says French minister, Gulf Times; Qatar one of London’s biggest landlords as portfolio expands, The New Arab.
6. Hillary Clinton: Bashar’s Days Are ‘Numbered’, The Atlantic.
7. Record low for Hollande with 4% approval rating, Media Watch 2016-10-25.

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