Das Jahr 2016 war das Jahr der Revolte. Die Referenden in den Niederlanden und in Großbritannien, die Wahlen in Amerika und die Volksabstimmung in Italien brachten Niederlagen für Großkonzerne, Finanzeliten und die regierenden Politiker. Noch hofft Österreich, seine bisherigen Projekte realisieren zu können, aber auch da wurde die Unzufriedenheit deutlich zum Ausdruck gebracht. 2017 werden also Eliten ihre Strategien umdenken müssen.
Überall werden die Mainstream-Parteien entweder von den aufsteigenden Protestparteien, oder von ihren eigenen Mitgliedern erschüttert, die sich gegen das Establishment wenden. In Frankreich wurde vor den anstehenden Wahlen eine Änderung in der Strategie nötig, nachdem die Sozialistische Partei der katastrophalen Amtszeit von Hollande zu Folge zerfallen und die Kandidaturen von Sarkozy und Juppe in Vorwahlen ausgeschlossen worden waren. Um sich der aufsteigenden Welle der so befürchteten Bestrebung der Massen zu widersetzen, sich am Regieren zu beteiligen (die als Populismus abgetan wird) und den Eliten nicht mehr zu gehorchen, wurde Emmanuel Macron hergeholt.
Er ist der ehemalige Wirtschaftsminister von der erwähnten Amtszeit von Hollande, der vorzeitig aus dem Amt tritt, um nicht mit Schlappen seines Vorgesetzten verbunden zu werden. Seine politische Kampagne erinnerte an Tätigkeiten eines PR-Unternehmens. Er distanzierte sich vor allem von den zerfallenden politischen Parteien und sagte, dass er „weder links-, noch rechtsorientiert“ sei.1)Can Emmanuel Macron win the French election?, theguardian.com 3.02.2017.
Das sollte aber niemand täuschen. Die Mainstream-Parteien unterscheiden sich kaum in ihren Programmen zu Hauptfragen, sei es die Eurozone, die interventionistische Außenpolitik, Emigration oder Sparmaßnahmen; deswegen suchen die Wähler woanders. Die Einteilung in die Linken und Rechten verlor an Bedeutung, weil die Parteifunktionäre auf den beiden Seiten sich dem „Kapital“ (wie es Marxisten genannt hätten), also den institutionellen Investoren und großen Banken, verkauften. Eben aus solchen Kreisen kommt Macron (der ehemalige Anlagebankier bei Rotschild, einem der exklusivsten Geldhäuser der westlichen Welt) und obwohl er behauptet, er sei ein Outsider, in der Tatsache ist er ein Insider der Finanzelite, die sich in die Politik einkaufte und die Welt zum jetzigen, katastrophalen Zustand brachte.
Die Lösungen, die er vorschlägt, kommen aus den Lehrbüchern der neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler, deren Gebote schon in die Tat umgesetzt wurden. Die Fragen, die die Menschen am meisten interessieren, also die gemeinsame Währung, Handelsabkommen oder Migration werden von ihm totgeschwiegen.
Macron wurde schon als der französische Clinton2)Emmanuel Macron finds new space in the centre of French politics, economist.com 26.01.2017.und Blair3)France Presidential Election: Who Is ‘French Tony Blair’ Emmanuel Macron?, europe.newsweek.com 08.11.2016.bezeichnet. Es sind doch zwei Politiker, die jetzt auf dem Prüfstand stehen, da sie durch ihre Maßnahmen zur Schrumpfung der Mittelschicht in den USA und in Großbritannien führten. Ein junger Mann, fingiertes Erscheinungsbild eines Outsiders, griffiger Slogan „En marche!“ (Vorwärts!), die Gunst der Mainstream-Medien4)Emmanuel Macron: France’s political prince eyeing the Elysée, theguardian.com 10.04.2016; It is Emmanuel Macron, not Marine Le Pen, who will come to be known as France’s answer to Donald Trump, independent.co.uk 24.01.2017; Emmanuel Macron’s rise electrifies French election race, ft.com.– das sind alles dieselben Tatsachen, die vor acht Jahren dazu beitrugen, dass Obama zum Präsidenten gewählt wurde. Obama hielt sein Versprechen gegenüber der „niedrigeren“ Gesellschaftsschicht nicht, Änderungen zu Stande zu bringen, obwohl er zwei Kadenzen lang regierte; enttäuscht wandten sie sich also Donald Trump zu. Nichtsdestotrotz bleibt die PR-Regel gleich: wenn die Hauptparteien den Eliten nicht mehr zum Regieren der Massen dienen können und den Eliten zur Last fallen, dann werden die Parteien zum Sündenbock, und ein neuer Kandidat, der aus den selben Elitekreisen kommt, wird zum Messias der Änderungen ernannt.
Wer steckt hinter Macron?
Macron kann wahrscheinlich auf die Unterstützung von vielen französischen Unternehmern rechnen: Henry Hermand (Immobilien), Claude Bebear (Versicherungsgigant AXA), Xavier Niel (Illiad, Telecom), Marco Simoncini (Partnerbörse Meetic), Christian Dagnat (Bank BNP Paribas) und zuletzt von Jacques Attali,5)Qui soutient Emmanuel Macron ?, franceinter.fr 16.11.2016.einem politisch engagierten Bankier, unter dessen Programm sich George Soros selbst unterschreiben könnte. Soros betätigt sich auch politisch, nun in Amerika, und Attali ist sein Fan.6)George Soros une personne formidable pour Attali, youtube.com 16.07.2015.
Die Beziehungen zur Finanzwelt und zu den Mainstream-Medien verkörpern Bernard Mourad, einst verbunden mir Morgan Stanley, sowie Patrick Drahi vom Meidiagiganten Altice.7)lemonde.fr 04-10-2016.
Nebenbei bemerkt, Macron beleidigte die französischen Arbeiter noch zu seiner Amtszeit in der Hollandes Regierung – er nannte sie damals „Analphabeten“8)French leader calls factory workers ‘illiterate’, thelocal.fr 17.09.2014.und spottete über die Arbeitslosen,9)The best way to afford a suit is to get a job, france24.com 31.05.2016.was sein Bild als einen Kandidaten der Eliten, die die niedrigeren Schichten verachten, noch untermauerte.
Ein Programm von Machiavelli?
Macron kam mit der Politik im Studium in Berührung: er schrieb seine Diplomarbeit über Machiavelli, der zu seinem Führer im politischen Werdegang wurde.10)Emmanuel Macron, Face of France’s New Socialism, nytimes.com 6.10.2014.
Das politische Programm von Macron, abgesehen von seinen Wahlversprechen, erschüttert in keinem Punkt den bestehenden Status quo: den Euro als die gemeinsame Währung, die internationalen Handelsabkommen, die NATO und die offenen Grenzen. Die einzige wesentliche Änderung, die er vorschlägt, ist die Idee „des Budgets der Eurozone“ einzuführen, die aber in Deutschland unpopulär ist.11)French Hopeful Macron: Euro Zone Needs Own Budget, global.handelsblatt.com 10.01.2017.
Um die Arbeitslosen zur Suche nach einer festen Einstellung zu bewegen, verspricht er ihnen einen Zuschuss von 100€ zum Mindestlohn. Die Idee kommt vom Präsidenten Obama, sie besänftigte aber die Unzufriedenen in den USA nicht.
Den Reichen verspricht er hingegen die Abschaffung der Steuer von Unternehmensanteilen und Beibehaltung der Nullbesteuerung des ersten Eigentumshauses und der Kunstwerke. Die Reichen werden also ihr Vermögen weiter ohne Hindernisse vermehren können.
Die Einkommensbesteuerung soll durch die Abschaffung der von Arbeitgebern bezahlten Kranken – und Arbeitslosenversicherungsbeiträge gesenkt werden. Die 35-Stunden-Woche soll so reformiert werden, dass junge Menschen mehr, und Senioren weniger arbeiten können, und das Rentenalter von 67 Jahren beibehalten bleiben soll.12)Présidentielle 2017 : le programme d’Emmanuel Macron, directmatin.fr 14.02.2017.
Zuletzt: im vorigen Jahr haben französische Polizisten gegen Arbeitsüberlastung und Unmöglichkeit sich selbst während der Proteste in Emigrantenghettos zu verteidigen protestiert.13)French police stage fifth night of protest, Hollande pledges meeting, reuters.com 21.10.2016.Macron will nun 10 000 neue Arbeitsplätze für Ordnungshüter schaffen,14)Présidentielle 2017: le programme d’Emmanuel Macron, directmatin.fr 14.02.2017.schweigt aber zum zweiten Grund der Proteste der Polizeibeamten.
Ein Teil der von ihm vorgeschlagenen Lösungen könnte helfen, die Wirtschaft anzukurbeln, ein Teil kommt aber direkt aus den Lehrbüchern der Liberalen und erwies sich vielmals als fehlgeschlagen, so können die Lösungen wohl auch heutzutage nicht die unerwünschte Richtung ändern, in die Frankreich geht. Die Regierung Macrons müsste doch die in der Euro-Zone geltenden Regeln beachten, die zur Zeit Deutschland begünstigen, sowie mit dem Protektionismus von Trump und mit dem Währungskrieg gegen den Euro rechnen. Das alles würde die französische Wirtschaft ungünstig beeinflussen und die Unzufriedenheit der Franzosen wäre noch größer.
References
1. | ↑ | Can Emmanuel Macron win the French election?, theguardian.com 3.02.2017. |
2. | ↑ | Emmanuel Macron finds new space in the centre of French politics, economist.com 26.01.2017. |
3. | ↑ | France Presidential Election: Who Is ‘French Tony Blair’ Emmanuel Macron?, europe.newsweek.com 08.11.2016. |
4. | ↑ | Emmanuel Macron: France’s political prince eyeing the Elysée, theguardian.com 10.04.2016; It is Emmanuel Macron, not Marine Le Pen, who will come to be known as France’s answer to Donald Trump, independent.co.uk 24.01.2017; Emmanuel Macron’s rise electrifies French election race, ft.com. |
5. | ↑ | Qui soutient Emmanuel Macron ?, franceinter.fr 16.11.2016. |
6. | ↑ | George Soros une personne formidable pour Attali, youtube.com 16.07.2015. |
7. | ↑ | lemonde.fr 04-10-2016. |
8. | ↑ | French leader calls factory workers ‘illiterate’, thelocal.fr 17.09.2014. |
9. | ↑ | The best way to afford a suit is to get a job, france24.com 31.05.2016. |
10. | ↑ | Emmanuel Macron, Face of France’s New Socialism, nytimes.com 6.10.2014. |
11. | ↑ | French Hopeful Macron: Euro Zone Needs Own Budget, global.handelsblatt.com 10.01.2017. |
12. | ↑ | Présidentielle 2017 : le programme d’Emmanuel Macron, directmatin.fr 14.02.2017. |
13. | ↑ | French police stage fifth night of protest, Hollande pledges meeting, reuters.com 21.10.2016. |
14. | ↑ | Présidentielle 2017: le programme d’Emmanuel Macron, directmatin.fr 14.02.2017. |