Der europäische Blickwinkel. Auf dem Weg in die Welt von Morgen.




Chirurgen unseres Geistes

In Polen wurde berichtet, dass die Zahl der Chirurgen im Vergleich zum Jahr 2006 laut Statistiken um ein Viertel (25%) gesunken ist. Innerhalb von dreizehn Jahren. Raten Sie mal: Was ist passiert? Wie ist diese große Anzahl von Ärzten verschwunden? Junge Leute haben aufgehört, sich für Medizinstudium zu interessieren? Raten Sie mal weiter. Die Nachfrage nach chirurgischen Eingriffen ist viel geringer, da die gesamte Gesellschaft durch die heilsamen Vorschriften und Verordnungen der Europäischen Union immer gesünder wird? Raten Sie mal weiter. Ja, genau! Bingo!

Die westlichen intellektuellen Kreise betrachten es als böse, schwächere Nationen auszubeuten, insbesondere die Länder der Dritten Welt. Sie lieben es, solches Verhalten als Faschismus (eine sehr modische beleidigende Bezeichnung) oder Rassismus, oder was auch immer, zu nennen. Auf wundersame Weise gilt dieses Prinzip jedoch nicht, wenn Ärzte aus Osteuropa immer wieder in die westlichen Staaten kommen und die osteuropäischen Gesundheitssysteme auslaugen. Warum sollten sie es eigentlich nicht tun? Wir brauchen sie – sagen westliche Intellektuelle – unsere Gesellschaften werden älter, es muss jemanden geben, der bereit ist, sich um die alternde Gesellschaft zu kümmern.

Wie bringen die westlichen Intellektuellen ihre Empörung über die Ausbeutung ärmerer Länder (der Dritten Welt) in Einklang, während sie den Osteuropäern ihre Ärzte vorenthalten? Ach komm schon, ein anderes hohes Prinzip berechtigt es: Menschenrechte, unter denen die Freizügigkeit besonders verankert ist. Sie stellen es so dar: „Wir rauben den ärmeren Ländern nicht ihre Ärzte (Ingenieure, Lehrer, Fachkräfte jeglicher Art) aus. Sie machen lediglich von ihren Menschenrechten Gebrauch und strömen an Orte, an denen sie bessere finanzielle Bedingungen haben.“

Es gibt aber dabei zwei „aber“. Medizinstudium kostet viel Geld. Nur sehr wenige Studenten in einem Land wie Polen zahlen für ihre Ausbildung: Der sechsjährige Universitätslehrgang wird vom Staat, von den Steuerzahlern, von allen Polen, die medizinische Versorgung benötigen und benötigen werden, reichlich bezahlt. Für dieses Studium bezahlen nicht britische, französische, deutsche oder norwegische Steuerzahler. Somit ist der Deal, den die westlichen Länder machen, sehr profitabel. Sie fordern die osteuropäischen Trottel auf, ihre jungen Männer und Frauen von der Wiege bis zum Schulabschluss zu erziehen – Schulen verschiedener Art, medizinische Versorgung, zählen Sie selbst weiter auf – und sie dann nach Frankreich, Großbritannien, Australien, Kanada und in die Niederlande zu schicken. Sie profitieren davon, ohne darin einen Cent investiert zu haben.

Beide Vertragsparteien – die westlichen Regierungen und ihre östlichen Kollegen – wussten sehr gut, dass offene Grenzen aufgrund des ungleichmäßigen wirtschaftlichen Fortschritts zu einer Einbahnstraße führen werden. Ein Grundsatz, dass in der Physik als kommunizierende Röhre bekannt ist. Einfach vorauszusagen für jeden und alle. Öffne deine Grenzen und lass dich berauben. Im Namen der ach so erhabener, hochtrabender Menschenrechte.

Es gibt einen Faktor, der diese Chirurgen (Ärzte anderer Fachrichtungen, Ingenieure, Lehrer, andere Fachkräfte) zum Überdenken veranlassen könnte. Patriotismus. Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft, die ihre Ausbildung ermöglicht, in ihr Wohlergehen investiert hat. Verpflichtung, durch die zumindest ein gewisses Maß an Dankbarkeit zu Recht erwartet wird. Und deshalb wird dieses Gefühl der Verpflichtung, dieses Gefühl der Verbundenheit mit unseren Landsleuten von den Ausbeutern heftig unterdrückt. Patriotismus? Lass es! Dies ist ein Konzept aus dem neunzehnten Jahrhundert, sprich: altmodisch, veraltet, mit einem Wort: beschämend!

Ist es nicht unnatürlich, dass die Chirurgen und andere Fachleute – sobald sie in das Stief-Vaterland, in das Ersatzland des Überflusses umgesiedelt sind – auf einmal ihre moralische Überlegenheit zum Ausdruck bringen und ach so eifrig helfen – die Reste von den Tischen zu werfen – den Armen und den Bedürftigen auf der ganzen Welt?

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