Der europäische Blickwinkel. Auf dem Weg in die Welt von Morgen.




Wen macht der Euro kaputt?

Nach der Einführung der gemeinsamen Währung in Litauen 2015 änderte sich viel. Einerseits beeinflusste der Euro positiv das Wirtschaftswachstum, da Kredite billiger wurden, was mit zunehmenden Exporten und Investitionen resultierte, andererseits vertiefte sich die Kluft zwischen Arm und Reich und zwischen dem Lebensniveau in den Städten und auf dem Lande. Bis zum Anfang der Inflation nach der Pandemie stiegen Preise und Gehälter in dem baltischen Land kontinuierlich, die letztgenannten aber vor allem in den Städten. Schon zwischen 2015-2019 stiegen die Preise um 10%, Lebensmittel um 6% und Dienstleistungen um 22%. In den Zeiten nach der Pandemie gehören nun alle baltischen Länder zu denen mit der höchsten Inflation, wobei die Gehälter, auch die von den reicheren Städtern, seit gut zwei Jahren die galoppierenden Lebensmittelpreise nicht mehr nachholen können. Die Politik der EZB hilft da keinem. Spricht man einen Litauer, Letten zu diesem Thema an, hört man Folgendes: Früher konnte ich meine Freundin oft ins Restaurant einladen, jetzt kann ich mir es kaum leisten (so ein LKW-Fahrer um 30 aus Lettland). Die Preise wurden europäisch, die Gehälter nicht.

Das Argument mit dem Wachstum scheint aber auch bisschen verfehlt zu sein. Polnische Wirtschaft mit der eigenen Währung wächst schneller als die der Slowakei und Sloweniens, die den Euro schnell einführten. Seit der Einführung der gemeinsamen Währung in den PIGS-Ländern verlieren sie systematisch ihr Wachstumstempo im Vergleich zu Deutschland. Entgegen den weit verbreiteten Klagen in den deutschen Medien über die polnische Finanzpolitik (und der Hoffnung, dass diese nach der Einführung des Euro “diszipliniert” werde), hält sich die öffentliche Verschuldung in Polen in Grenzen – und dies trotz der Politik der da früher nie gesehenen sozialen Transfers. In der Eurozone hingegen explodiert die Verschuldung trotz verschiedener formaler Beschränkungen regelrecht. Dies gilt auch für Länder, die dem Euro beigetreten sind, ohne ein Problem mit der öffentlichen Verschuldung zu haben. Die Schulden sind im Laufe der Zeit entstanden – eben in dieser ach so fantastischen Union. Diese Tatsache wird in der folgenden Grafik veranschaulicht.

Quelle: Ameco

Schuld daran ist die verrückte Idee, dass eine einzige Geld- und Fiskalpolitik wie ein universelles Rezept für alle Länder passen solle (one size fits all). Eine einzige Politik für 24 Länder – das kann nicht funktionieren, so wie ein 5 Jahresplan für alle Sowjets, oder einer für die sich so sehr voneinander unterscheidenden Regionen Chinas. Derselbe Zinssatz für die ganze Eurozone kann nicht effektiv sein. Er führt zu destabilisierenden und kostspieligen Ungleichgewichten in einzelnen Mitgliedstaaten, die in der Folge auf das gesamte Euro-Währungsgebiet übergreifen, das sich gegenüber USA und China nicht genug schnell entwickeln kann.

Aber wozu das ganze Gerede? Es sind ja Sommerferien und man möchte sich entspannen. Da empfehlen wir Ihnen einen Urlaub in Kroatien – dem neuesten Genießer der Vorteile der gemeinsamen Währung. Nach der Einführung des Euro in diesem Jahr stiegen die Preise in dem einst günstigen Land auf das Niveau von Österreich. Die österreichische „Kronenzeitung“ verglich sogar das Preisniveau mit den Schweizer Kurorten. Die kroatische Zeitung „Slobodnaja Dalmacija“ rechnet vor, dass ein Kilo Kirschen und Feigen jetzt 8 Euro kostet – 100 Prozent mehr als vor einem Jahr. Großhändler müssen für ein Kilo Birnen 5 Euro, für Gurken 3 Euro und für Pfirsiche 5 Euro bezahlen. Kein Wunder, dass Touristen in dem Land, das in der ganzen EU am meisten von ihnen abhängig ist (11% des BIPs kommt davon), ihre Reservierungen stornieren. Eine andere lokale Zeitung “Jutarnji list” weist auf die überraschend hohen Kosten für die tägliche Miete eines Liegestuhls hin. Auf der Insel Hvar kostet es 40 €, in Split 35 € und in Dubrovnik 33 €. In den kroatischen sozialen Medien ist ein Video einer amerikanischen Touristin sehr beliebt, wo sie treffend bemerkt, dass der Preis für die Dienstleistung nach der Währungsumstellung von Kuna auf Euro gleichgeblieben ist. Die Gier der (Klein)unternehmer ist die eine Schattenseite des Ganzen, die andere ist es, dass der Euro eigentlich immer Teuro ist. Wir wünschen Ihnen also einen schönen Urlaub in Polen. 

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