In den westlichen Medien wird wenig darüber geschrieben – eigentlich gar nichts –, und in der Zwischenzeit nehmen die Spannungen im Kosovo zu. Erinnern wir uns an Folgendes: Der Kosovo – Teil Serbiens, die historischen Wiege der serbischen Staatlichkeit – wurde vom Westen ohne einen entsprechenden Beschluss der Vereinten Nationen von Serbien abgetrennt. Die meisten westlichen Länder erkannten die Unabhängigkeit des Kosovo auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Völker an. Im Fall der Krim und des Donbass hat die gleiche Motivation irgendwie nicht funktioniert, aber lassen wir diese Details beiseite.
Die unmittelbaren Auslöser der gegenwärtigen Spannungen nennen wir im Folgenden. Zum einen haben die Behörden in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, beschlossen, alle Autofahrer anzuweisen, ihre Nummernschilder auf kosovarische umzustellen. Die noch im Kosovo lebende serbische Minderheit hat sich dagegen gewehrt. Die Serben haben das Recht auf ihrer Seite: Da der Kosovo immer noch zu Serbien gehört, ist die Einführung anderer Nummernschilder als der serbischen rechtlich nicht vorgeschrieben. Ein weiterer Grund für die Spannungen ist der ungeklärte Fall eines Polizeibeamten serbischer Nationalität, der von den kosovarischen Behörden verhaftet wurde. Die serbische Minderheit reagierte sehr heftig: In Städten, in denen Serben leben, wurden Barrikaden auf den Straßen errichtet.
Als ob dies noch nicht genug wäre – oder vielleicht gerade um die Spannungen zu verschärfen – hat Pristina am 15. Dezember dieses Jahres einen Antrag auf Aufnahme des Kosovo in die Europäische Union gestellt. Obwohl mehrere Mitglieder der Union – und zwar Zypern, Griechenland, Rumänien, die Slowakei und Spanien – die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen, was selbst die Prüfung eines Beitrittsantrags blockiert, hat Pristina aus irgendeinem Grund diesen Schritt getan. Offensichtlich hat es das Signal erhalten, dass ein solcher Schritt jetzt unternommen werden sollte. Dies wirft die Frage auf: Was ist auf dem Balkan wieder los? Worum geht es da eigentlich? Nun, die Antwort ist ziemlich offensichtlich.
In Europa ist Serbien das einzige Land, das freundschaftliche Beziehungen zu Russland unterhält. Belgrad hat sich trotz des Drucks der Europäischen Union nicht den von Brüssel gegen Russland verhängten Sanktionen angeschlossen. Präsident Vučić ist – selbst wenn er es wollte – nicht in der Lage, eine Moskau-feindliche Politik zu verfolgen, da die überwältigende Mehrheit der Serben die Russen als Freunde und Russland als Verbündeten betrachtet. Das liegt daran, dass Serben und Russen Slawen sind, dass Serben und Russen Völker sind, die sich zum orthodoxen Christentum bekennen; und schließlich empfinden die Serben gegenüber Russland Dankbarkeit dafür, dass Russland Ende des 19. Jahrhunderts gegen die Türkei gekämpft hat, die jahrhundertelang über Serbien herrschte, und dafür, dass Russland sich 1914 zur Verteidigung des kleinen Serbien engagierte, als Österreich-Ungarn Belgrad den Krieg erklärte. Jeder, der Leo Tolstois “Anna Karenina” gelesen hat, wird sich daran erinnern, dass eine der Hauptfiguren, Anna Kareninas Geliebter, ein russischer Offizier, in den Krieg gegen die Türkei zieht, um die Serben zu verteidigen. Es stimmt aber übrigens, dass Russland Serbien 1999, als die NATO es 78 Tage lang bombardierte, nicht geholfen hat, weil Russland damals selbst in einer tiefen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise steckte. Weiterlesen