Mit Mistgabeln durchbohrte Babys

Es gab eine Zeit, in der Polen offiziell ein Verbündeter der kommunistischen Sowjetunion war. Es gab eine Zeit, in der polnische Kommunisten mit Hilfe ihrer sowjetischen Genossen Polen übernahmen und sich als Herrscher des Landes etablierten. Das polnische Volk hatte im Laufe seiner Geschichte die Russen – gleichgültig ob weiß oder rot – kaum geachtet. Die polnische Nation verachtete die rote Variante der Russen sogar noch mehr, da diese sich als kulturell eher ungebildet erwiesen. Darüber hinaus waren die Sowjetrussen – oder Bolschewiken – damit beschäftigt, einige Elemente der polnischen Kultur zu unterdrücken, und sie verbreiteten eine primitive Propaganda, die das polnische Volk unter anderem davon überzeugen sollte, dass Russland und insbesondere Sowjetrussland dem polnischen Volk immer wohlgesonnen gewesen war. Es stimmt, dass es im polnischen Volk Menschen gab, die bereit waren, nach dem sowjetischen Köder zu schnappen, und es gab einige, die politisch neutralisiert werden konnten. Diejenigen, die dazu neigten, mit den neuen Herren zu kollaborieren, waren der Meinung, dass Polen nach dem Zweiten Weltkrieg keine andere Wahl hatte und dazu verdammt war, sich an Moskau zu halten. Realpolitik. Es gab jedoch etwas, das selbst glühenden prosowjetischen polnischen Kommunisten ein Dorn im Auge war. Dieses Etwas war ein Ereignis, das in der polnischen Geschichte als das Massaker von Katyn bekannt ist. Was war das?

Als Polen 1939 von Deutschland, dem Dritten Reich, angegriffen wurde, wurden die polnischen Ostgebiete innerhalb von zwei Wochen nach Beginn der Feindseligkeiten von der Sowjetunion besetzt, ein Schritt, der im Übrigen im Vorfeld des Krieges mit Deutschland vereinbart worden war. Im Herbst 1939 wurde das polnische Gebiet schließlich von Deutschland und Sowjetrussland in einem ungefähren Verhältnis von fünfzig zu fünfzig besetzt. Beide Besatzer waren wild entschlossen, das polnische Volk zu unterwerfen, und beide hielten es für angebracht, zunächst die polnischen Eliten zu beseitigen: Lehrer, Ärzte, Priester, Schriftsteller, Ingenieure, Offiziere und dergleichen. Beide Besatzer waren sich darüber im Klaren, dass ein enthauptetes Volk – die Intellektuellen wurden als Kopf oder Geist des Volkes betrachtet – viel leichter zu kontrollieren war. Beide – Deutschland und Russland – begannen, die Intelligenz auf die eine oder andere Weise zu beseitigen, wobei es regelmäßig zu Massenhinrichtungen kam.

Nach dem Ende des Krieges wurden die deutschen Verbrechen systematisch aufgedeckt und verurteilt: Deutschland war eine besiegte Nation, und es gab viele Prozesse gegen deutsche Verwaltungsbeamte oder Offiziere, die für Kriegsverbrechen verantwortlich waren, nicht nur in Polen, sondern überall in Europa. Obwohl die schuldigen Deutschen für ihre verwerflichen Taten vor Gericht gestellt wurden, wurden die schuldigen Sowjets nicht verurteilt. Und warum? Das ist ganz einfach. Nachdem Deutschland die UdSSR angegriffen hatte, wurde Sowjetrussland zum größten Verbündeten Polens (und des Westens), und als solcher konnte sein Image in den Augen der polnischen Nation nicht durch die Aufdeckung der russischen Vernichtungsaktionen gegen Polen in den Schmutz gezogen werden. Die Polen wussten jedoch, dass die Russen mit dem polnischen Volk ebenso grausam umgingen wie die Deutschen, indem sie nicht nur die polnische Intelligenz deportierten, inhaftierten und massenhaft hinrichteten, sondern auch weite Teile anderer Gesellschaftsschichten. Der Wald von Katyn (in der Nähe von Smolensk) – nur einer der vielen Orte, an denen solche Massenexekutionen durchgeführt wurden – wurde zu einer Ikone im kollektiven Gedächtnis der polnischen Nation. Nach 1945 konnte jeder Pole in Polen die Deutschen offen für ihre Taten während des Krieges verurteilen, niemand konnte etwas gegen die Sowjetunion sagen. Die Nation war gezwungen, in einer Art Schizophrenie zu leben: Obwohl sowohl die Deutschen als auch die Sowjets die Schergen der Nation waren, sollten letztere als Freunde und Verbündete betrachtet werden: als moralisch einwandfreie Freunde und Verbündete. Das Massaker von Katyn fand keine Erwähnung in den Geschichtsbüchern, nicht einmal unter Historikern war eine Diskussion darüber erlaubt. Der Mund der Nation wurde geknebelt.

Natürlich kannten die Menschen die Wahrheit, und die Wahrheit verbreitete sich durch Mundpropaganda, die von niemandem unterdrückt werden konnte. Je mehr sie offiziell angeprangert wurde, desto mehr Verbreitung fand sie in der Bevölkerung.

Als 1989 der Kommunismus in Polen zusammenbrach und sich das Land für die so genannte westliche Meinungsfreiheit öffnete, war die Literatur – populär und wissenschaftlich – über das Massaker von Katyn plötzlich für jeden zugänglich, der sich damit vertraut machen wollte, und natürlich fand diese historische Tatsache auch direkt Eingang in die Schulbücher. Zahlreiche Denkmäler wurden errichtet und Gedenktafeln an den Wänden wichtiger Gebäude angebracht, um ein Zeichen zu setzen, um zu zeigen, dass die Nation sich erinnerte, und um die Ermordeten zu ehren.

Denkmal für das Massaker von Katyn, Wrocław (Breslau), Südwestpolen.

Warum berichten wir über diese Geschichte? Weil sich viel geändert haben soll und es gleichzeitig so aussieht, als ob sich wenig geändert hat. Jetzt, mehr als dreißig Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und siebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (mehr als siebzig Jahre nach dem Massaker von Katyn), scheint sich die gleiche alte Geschichte zu wiederholen. Jetzt hat Polen einen neuen Freund und Verbündeten im Osten gefunden. Ja, der Name dieses Freundes ist Ukraine. Die Ukraine war früher ein Teil der Sowjetunion, also waren die Ukrainer natürlich auch Teil des sowjetischen Unterdrückungssystems, aber das ist egal. Die Ukrainer konnten leicht entlastet werden, da sie unter dem russischen Joch handelten. Der Punkt ist jedoch, dass die Ukrainer selbst ein weiteres Massaker von Katyn an Polen (oder, um genau zu sein, eine lange Reihe solcher Massaker) verübten, ganz unabhängig davon, dass sie den Sowjets unterstellt waren. Als die Deutschen 1941 die Sowjetunion angriffen, nahmen sie relativ bald die Ukraine in Besitz, und da sie in den blutigen Konflikt weiter östlich verwickelt waren, hatten sie weder Zeit noch Ressourcen, die Ukraine vollständig zu kontrollieren. Die Ukrainer sahen in der Tatsache, dass Sowjetrussland besiegt worden war, eine Chance für sich. Die Ukrainer, die einen eigenen Staat anstrebten, verbündeten sich mit den Deutschen und begannen, den Grundstein für ihre Staatlichkeit zu legen, indem sie mit ethnischen Säuberungen begannen. Sie richteten sich gegen Polen und verübten mehr oder weniger regelmäßig Blutbäder in den Gebieten mit ethnisch gemischter Bevölkerung, die zwischen dem eigentlichen Polen und der Ukraine lagen. Das Jahr 1943 war besonders grausam: Am 11. Juli dieses Jahres fand in Huta Pieniacka  in Wolhynien das blutigste Massaker statt, und genau dieses Datum wurde als Gedenktag für eine ganze Reihe von Ereignissen gewählt, die zusammenfassend als Wolhynien-Massaker bekannt sind.

Die polnische Nation wurde also zweimal ethnisch gesäubert: von den Sowjets (die mehrheitlich aus Russen, aber auch aus Ukrainern und Juden bestanden) und von den Ukrainern. Die beiden ikonischen Namen und Daten sind Katyn (1940) und Wolhynien (1943), wobei beide nur Symbole für eine Reihe von Vernichtungsaktionen sind. In der Zeit zwischen 1945 und 1989, als das sozialistische Polen ein Verbündeter der Sowjetunion war (d. h. Russlands und der Ukraine, den beiden größten Sowjetrepubliken), wurden die Massaker von Katyn offiziell als deutsche oder westliche antisowjetische Propaganda anerkannt, während die Massaker von Wolhynien als solche anerkannt wurden. Warum eigentlich? Woher kommt dieser Unterschied in der Haltung? Ganz einfach: Das Bild der Sowjetunion, des kommunistischen Paradieses für die gesamte Menschheit, konnte nicht befleckt werden, das der ukrainischen Nationalisten hingegen schon. Es waren nämlich nicht die ukrainischen Kommunisten, die die Polen ermordeten, sondern die ukrainischen Nationalisten. Infolgedessen wurden im Nachkriegspolen Filme über die ukrainischen Grausamkeiten gedreht und Bücher darüber veröffentlicht, allerdings nur in sehr begrenztem Umfang, um nicht unhöflich gegenüber den ukrainischen kommunistischen Genossen zu sein. Die Ereignisse in Wolhynien wurden erst nach 1989 in den Medien, in der Populärkultur (Filme, Bücher) und an den Universitäten umfassend behandelt. Die westliche Redefreiheit, Sie wissen schon. Klinge ich sarkastisch? Ja, denn ich meine es so.

In dem Moment, in dem sich die Ukraine im Krieg mit Russland befand, wurde die Ukraine zu Polens wichtigstem und freundlichstem Verbündeten. Als solcher durfte die Ukraine nicht an ihre Vergangenheit erinnert werden, und so begannen die polnischen Behörden, alles zu unterdrücken, einzuschränken oder zu entmutigen, was die Erinnerung an die ukrainischen Gräueltaten im polnischen Bewusstsein wachhalten könnte. Diese Politik begann bereits Jahre vor dem Ausbruch des Konflikts zwischen Kiew und Moskau. Warschaus politischer Instinkt war schon immer antirussisch, was bedeutete, dass die polnischen Behörden – übrigens aller politischen Richtungen – Kiew natürlich als Verbündeten gegen Moskau ansahen. Die Erinnerung an das Wolhynien-Massaker wurde für die nicht-kommunistischen polnischen Behörden ebenso unangenehm wie die Erinnerung an das Massaker von Katyn für die kommunistischen polnischen Behörden unangenehm war. Während – wie oben erwähnt – nach der Zeit des sozialistischen Polens eine Reihe von Denkmälern zum Gedenken an Katyn errichtet wurden, wurden nur wenige zum Gedenken an Wolhynien aufgestellt, und selbst diese wenigen, die aufgestellt wurden, erhielten keinen oder nur wenig staatlichen Segen. Ist das nicht auf die Art Orwells!

Auf Initiative einer kleinen Gemeinde wurde ein Denkmal für das Wolhynien-Massaker errichtet, das im Juli dieses Jahres im Südosten Polens enthüllt werden soll. Schauen Sie sich das Denkmal genau an, und bedenken Sie, dass das polnische Baby auf einer ukrainischen Mistgabel, das Sie in der Mitte des Denkmals sehen, keine künstlerische Vision ist. Die Sowjets, oder Russen, wenn Sie so wollen, waren in Katyn viel humaner: Sie schossen ihren Opfern in den Hinterkopf. Die Ukrainer stießen Mistgabeln in die Körper ihrer Opfer, kreuzigten sie und verbrannten sie bei lebendigem Leib; sie verzichteten nicht darauf, schwangeren Frauen die Gebärmutter aufzuschneiden. Die Russen haben sich für das Massaker von Katyn entschuldigt, die Ukrainer nicht für das Massaker von Wolhynien, und noch immer sind die Russen Polens Todfeinde, während die Ukrainer Polens liebe Freunde sind.

Fragment des Denkmals zum Gedenken an das Wolhynien-Massaker, das am 14. Juli 2024 in Domostaw, Südostpolen, auf Initiative der örtlichen Gemeinde enthüllt werden soll. Sehen Sie sich das zweiminütige Video des Denkmals an.

Die Niederlande und Deutschland zwischen Inflation und Rezession

Damit die öffentlichen Finanzen gesund sind, muss die Wirtschaft krank sein

Der fiskalische Konservatismus Deutschlands und der Niederlande begrenzt deutlich das Wachstumspotenzial der beiden Länder. Die 45% im Forschungsnetzwerk AIECE wirkenden Wirtschaftswissenschaftler und Think-Tanks halten die derzeitige Geldpolitik in der Euro-Zone für zu restriktiv, für richtig hingegen nur 25%. Die befragten zeigten insbesondere auf die Regierungen Deutschlands und der Niederlande hin als diejenigen, die ihre Wirtschaften nur mangelnd fördern. Das Haushaltsdefizit dieser beiden Länder wird in diesem Jahr 1,6 % des BIPs für das Erstgenannte und 2 % des BIPs für das Zweitgenannte betragen. Zum Vergleich: Im Falle von Italien sollen es 4,4% und in Frankreich 5,3% sein. Gleichzeitig kämpfen viele Länder mit einer viel höheren Inflation als etwa die zwischen Rhein und Oder. Es ist wie zwischen Amboss und Hammer: entweder gibst du weniger Geld für die Förderung der Unternehmen aus und führst somit zur Verlangsamung der Wirtschaft und letzten Endes zur Rezession im Land (Deutschland, Niederlande), oder aber steigerst die Staatsverschuldung und das Haushaltsdefizit durch übermäßige Ausgaben, pumpst Geld in die Wirtschaft, was die Inflation mit sich bringt (Italien, Frankreich).

Im Jahr 2023 zahlte es sich aus, eine expansive Finanzpolitik zu betreiben, die eine Rezession zu vermeiden ließ. Beim BIP ersetzten die höheren Staatsausgaben in Italien und Frankreich die sinkende Nachfrage, was zu positiven Wachstumsraten führte. Länder, die ihre Fiskalpolitik abkühlten, erzielten geringere Wachstumsraten und bezahlten dafür in einigen Fällen mit einer Rezession (Siehe die Niederlande, wo nach den neuesten Angaben das BIP um 0,3% zum vorigen Jahr gefallen ist). Dänemark sticht aus diesem Muster heraus, da es trotz seiner restriktiven Finanzpolitik ein Wachstum von fast 2 % erzielte. Es ist jedoch erwähnenswert, dass das Wirtschaftswachstum durch den großen Erfolg von Novo Nordisk, dem Hersteller von Medikamenten zur Gewichtsreduktion, stark angekurbelt wurde. Ohne die Pharmaindustrie wäre das BIP da wahrscheinlich nur leicht gewachsen.

Gleichzeitig muss man bemerken, dass  die höhere  Inflation in Ländern mit einer expansiveren Finanzpolitik darauf zurückzuführen ist, dass da die Staatsausgaben auf Kostenschocks reagieren mussten. So haben beispielsweise Länder, die aufgrund eines höheren Anteils von Nahrungsmitteln und Energie am Warenkorb anfälliger für Angebotsschocks sind, umfassendere und länger anhaltende Abschirmungsmaßnahmen für Normalverbraucher ergriffen. Die Rückmachung dieser Maßnahmen geht jedoch langsam, was auch den Desinflationsprozess verlangsamt.

Eine neue Bedrohung für die Inflation ist die Eskalation der Lohnforderungen in den großen EU-Volkswirtschaften. Die Zahlen der Europäischen Zentralbank (EZB) deuten darauf hin, dass das Wachstum der Tariflöhne im vierten Quartal mit knapp 3 % stabil war. Gleichzeitig werden diese Zahlen mit einer beträchtlichen Zeitverzögerung veröffentlicht und zeigen ein eher veraltetes Bild, das die laufenden Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und -nehmern außer Acht lässt. Ein völlig anderes Bild ergibt sich aus den Daten der Internetrecherche, wo die Fragen nach Lohnerhöhungen in fast allen großen EU-Wirtschaften historische Höchststände erreichen. So suchen niederländische Internetnutzer heute doppelt häufiger nach Suchbegriffen, die sich auf Lohnerhöhungen beziehen, als 2016-2019, also vor der Pandemie. In einem solchen Umfeld ist eine schnelle Desinflation höchst unwahrscheinlich.

Quelle: Google Trends

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Auswirkungen der Fiskalpolitik im Jahr 2023 als recht intuitiv und lehrbuchmäßig erwiesen haben, auch wenn es erwähnenswert ist, dass sich die Folgen einiger Fiskalinstrumente auch über einen längeren Zeitraum als nur einige Quartale zeigen werden (z. B. Investitionen, Bildungsausgaben usw.). Länder, die eine expansive Fiskalpolitik verfolgten, mussten eine höhere Inflation in Kauf nehmen, konnten aber eine Rezession vermeiden, während Regierungen, die sich auf die Unterstützung der Zentralbank konzentrierten, eine Rezession/ein schwächeres Wachstum in Kauf nehmen mussten, dafür aber am Ende des Jahres niedrigere Inflationsraten erzielten.

Das politische Vakuum in Frankreich und in den Niederlanden

In wie fern ist Marine Le Pen wirklich eine rechtsgesinnte, nationalistische Politikerin oder in wie fern ist sie eine machtstreberische Konformistin, die ihre Ideale langsam verrät und faule Kompromisse eingeht, um nur an die Macht zu kommen? Sie befürwortet schon seit langem die linke Agenda mit homosexuellen Ehen, mit der führenden Rolle der EU usw. Sie hat ihre krassesten Postulate mit Migrantenabschiebung an der Spitze schon längst aufgegeben oder (bis es nicht mehr milder geht) umformuliert. Da die Menschen sie mit einer harten Linie von gestern  verbinden, hat sie sich einen jungen Gehilfen geholt und Jordan Bardella zum Gesicht der Nationalen Sammelbewegung und Kandidaten in den Wahlen gemacht. Und sofort merkt man eine Kluft zwischen den Aussagen der beiden: Spricht sich Le Pen etwa für die Begrenzung der militärischen Unterstützung für die Ukraine, sagt Bardella, dass das Land nicht von Russland überflutet werden darf.

Der Verrat eigener Ideale kostet viel, wie wir uns heute, am 08.07.24, überzeugen können: Die Partei der nach links abbiegenden Le Pen hat viel schlimmer abgeschnitten als erwartet. Die neu in Bardella-Ähnlichen verpackte Nationalfront kommt nicht an die Macht, langfristig aber wird sie davon aber profitieren können, denn das eigentliche Ziel ist das Amt des Präsidenten. Nun wird die alte/neue Front nicht mit den Kosten der Amtausübung belastet und kann zwei Jahre lang sagen, dass ihre politischen Gegner sich dem Willen des französischen Volkes widersetzen und den Sieg der Rechten “gestohlen” haben.

Nun was wird die Nationale Sammelbewegung mit dem Migrationsproblem machen, wenn sie eines Tages wirklich an die Macht kommt? Sie wird vielleicht die kriminellen Ausländer abschieben (es wird geschätzt, es sind derzeit einige zehntausend Menschen), aber nie etwa verbieten, den Menschen mit Doppelpass wichtige Ämter zu bekleiden, etwa in der Diplomatie. Das erfordere die Änderungen im Grundgesetz und einen langen Marsch durch Institutionen, wozu ihre Partei noch viel zu schwach ist. Wenn man sich die Umfragen unter den Franzosen ansieht, sind sie für eine begrenzte Migration innerhalb Europas, den außereuropäischen Immigranten sind sie eher negativ eingestellt. Das können Le Pen und ihr Junge gut nutzen, um die Flut endlich mal in der Zukunft zu stoppen. Die Zukunft, die Hoffnung darauf, entfernte sich heute aber deutlich…

In Frankreich sowie in den Niederlanden dominieren die links-liberalen Medien, die keine andere Meinung dulden, die von der Toleranz sprechen, aber die ganze rechte Szene wie der berüchtigte Führer am liebsten ausrotten würden. Gefira hatte beispielsweise wegen seiner Ehrlichkeit und seiner Anschauungen Probleme in den Niederlanden gewisse Texte zu veröffentlichen. Die Lügenpresse, wie es Deutsche nennen, sind ein Haupthindernis auf dem Weg der Partei Rassemblement National zur echten Machtübernahme. Die Menschen in Frankreich, in den Niederlanden und in Deutschland glauben den sogenannten Qualitätsmedien blind, als wären sie neue Führer. Traurig aber wahr.

Die Situation in den Niederlanden hat gewisse Ähnlichkeiten mit der in Frankreich. Hier musste Gert Wilders auch eine Ersatzfigur finden – die ihn in der Regierung repräsentiert – und seine Ansichten mildern, damit es zur Koalition von vier Parteien (PVV, VVD, NSC i BBB) kommen konnte. Die Politik der neuen Regierung wurde in dem „Manifest“ unter dem Titel „Hoffnung, Mut und Stolz“ formuliert. Pathetisch wie die Slogans von Macron. Quasi-Veränderungen sind da angesagt. Von den rechten Idealen ist kaum etwas übriggeblieben: Die grüne Revolution wird weiterhin gefördert, Steuer gesenkt, Arbeiterrechte gestärkt, neue Wohnungen sollen gebaut werden. Das letzte natürlich für neue Immigranten, deren Zufluss (wiederum wird es nur versprochen, nicht sofort gemacht) begrenzt werden soll. Gert Wilders will nicht mehr die EU verlassen, er will sie „von innen verändern“. Er und seine Koalition werden wie Le Pen in den nächsten Wahlen scheitern, denn nur Mut und Konsequenz zählen. Wer das nicht begreift, verliert. Der Mut im Manifest der neuen niederländischen Regierung ist eine Lüge. Die neue Regierung wird ebenso unbeholfen sein wie die vorherige von Mark Rutte. 14 Jahre an der Macht und? Was wurde von den linken Idealen verwirklicht? Herr Rutte, was sagen Sie zum Beispiel zum Thema der Gleichberechtigung der Frauen? Die Länder mit dem niedrigsten Anteil von Frauen in Führungspositionen sind Zypern (21 %), Luxemburg (22 %) und die Niederlande (26 %). Punkt.

Die US-Wirtschaft vor den Wahlen

Die größte Überraschung in diesem Jahr auf den Finanzmärkten ist es, dass die Inflation anhält. Haben die Investoren noch nicht lange her auf 4 Zinssenkungen durch die Fed in diesem Jahr gehofft, sind es nur 3 und zwar deutlich zeitlich verschoben. Das untermauert die von uns oft zum Ausdruck gebrachte These, dass die Zentralbanken die aktuelle Inflationsdynamik nicht vollständig verstehen. Die Indikatoren deuten darauf hin, dass Teile der Wirtschaft, wie z. B. der Immobiliensektor und die Automobilbranche, mit den hohen Zinsen zu kämpfen haben, während andere Wirtschaftszweige, wie z. B. die Rüstungsindustrie, die Halbleiterindustrie, die KI-Branche und die Herstellung von Medikamenten gegen Fettleibigkeit, einen Boom erleben. Nach der Pandemie, dank neuer IT-Technologien und dem Krieg in der Ukraine zufolge entstand also die Wirtschaft zweier Geschwindigkeiten, wo die Geldpolitik erschwert ist, da die Unterstützung der schwachen Teile der Wirtschaft mit einer anhaltenden Inflation einhergehen kann, die für Unternehmen kostspieliger ist.

Die Investoren versuchen aus den Aussagen der Fed, die Höhe der künftigen Zinssätze (also wie viel das Geld – die Kredite – in der Zukunft die Unternehmen kosten wird) herauszulesen. Oft ist es so: Je schlimmer die Situation in der Wirtschaft, desto höher steigen die Kurse der Aktien, da die Investoren darauf hoffen, dass in der Reaktion auf schwache Wirtschaftsdaten, die Fed die Zinssätze senken wird, um die Wirtschaft anzukurbeln. Gerade gestern (am 3. Juli 2024) hatten wir ein Beispiel dafür: der  ISM-Index für den Dienstleistungssektor ist eingebrochen und – ohne Berücksichtigung der Covid-19-Pandemie – auf den niedrigsten Stand seit fast 15 Jahren gefallen. Und Wall Street erreichte in Reaktion darauf ihre Rekordhochs.

Die Investoren glauben also, dass diese Wirtschaft zweier Geschwindigkeiten weiter funktionieren wird. Währenddessen sind die Steuerausgaben in den USA langfristig nicht tragbar  und die aktuellen Renditen für Staatsanleihen erhöhen die Staatsausgaben im Zusammenhang mit der Verschuldung, wodurch Mittel für Wohlfahrt der Bürger und Infrastruktur wegfallen. Die US-Regierung muss sich mit dem Risiko einer Abkühlung der Wirtschaft auseinandersetzen oder riskieren, die Inflation länger hoch laufen zu lassen. Das Szenario ist also: Egal, ob Demokraten oder Republikaner gewinnen, werden sie die Ausgaben (sprich: Inflation) erhöhen müssen, was die Fed dazu veranlassen wird, die Zinssätze vielleicht noch zu erhöhen.

Die Investoren müssen verstehen, dass der echte Killer für die Aktien die Rezession ist, nicht die Inflation. Ja, ich weiß es, dass die Beispiele, wie etwa das Verhalten der Aktienmärkte in der Türkei oder in Argentinien, deutlich zeigen, dass eine hohe Inflation auf lange Sicht kein besonderes Problem für Aktien darstellten muss. Doch es kommt eines Tages der Moment: Auch die Großunternehmen sind nicht im Stande angesichts der teuren Kredite, hohen Steuern und Löhne noch höhere Gewinne zu erarbeiten. An diesem Tag wird es sich nicht mehr lohnen, in die Aktien das Geld zu stecken. Auch in den USA.

Aufwertung der Wirtschaftsaussichten Russlands

“Russlands Wirtschaft wird in diesem Jahr viel schneller wachsen als bisher erwartet (…) Das Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr voraussichtlich um 2,6 Prozent steigen, mehr als doppelt so schnell wie vom IWF vorhergesagt (…) Die russische Anhebung um 1,5 Prozentpunkte ist die größte für eine Volkswirtschaft, die in einer Aktualisierung des Weltwirtschaftsausblicks des Fonds aufgeführt ist.” Das ist die Aussage der Financial Times.

“Es wird erwartet, dass Russland in diesem Jahr schneller wächst als alle fortgeschrittenen Volkswirtschaften”, meldet CNBC und fährt fort: “Russland wird 2024 voraussichtlich um 3,2 % wachsen, so der IWF in seinem am Dienstag veröffentlichten jüngsten Weltwirtschaftsausblick, und damit die prognostizierten Wachstumsraten für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften der Welt, einschließlich der USA, übertreffen.” Die Wachstumsprognosen für andere Länder sind: die USA (2,7%), Großbritannien (0,5%), Deutschland (0,2%) und Frankreich (0,7%), wie wir in derselben Quelle lesen können.

Auch die BBC teilt uns mit, dass “Russland schneller wachsen wird als alle fortgeschrittenen Volkswirtschaften” und verweist auf einen Bericht des IWF

Ups… So viele Sanktionen (sind es inzwischen sechzehntausend?), so viel antirussische Propaganda, das Einfrieren russischer Finanzanlagen, und alles umsonst! Doch der kollektive Westen – seine Führer – hätten es besser wissen müssen. Wann haben Sanktionen jemals die erwartete Wirkung gezeigt? In der jüngeren Geschichte waren es Nordkorea, der Iran und Kuba, um nur einige wenige zu nennen, die jahrelang streng sanktioniert wurden und trotz dieser Bemühungen, ihre Führer oder Bevölkerungen zu brechen, politisch trotzig bleiben. Ich greife auf Beispiele aus der jüngeren Geschichte zurück: Napoleon Bonaparte verhängte eine Kontinentalsperre gegen die Britischen Inseln, die ebenfalls vergeblich war. Der ganze Kontinent gegen ein isoliertes Land, das weiterhin gegen das napoleonische Frankreich intrigierte und schließlich den Sturz Napoleons herbeiführte.

Beachten Sie, dass es die westlichen Medien und Agenturen sind, die von der florierenden russischen Wirtschaft sprechen. Keine Propaganda von Seiten des Kremls, wie Sie sehen. Der Westen sieht sich gezwungen, solche Daten offenzulegen, Daten, die beweisen, wie unwirksam die Sanktionen des Westens sind, Daten, die die Politik des Westens untergraben. Was werden sie jetzt tun? Weitere zwei- oder fünftausend Sanktionen verhängen? Aber ich nehme an, dass ihnen dann die Punkte ausgehen, die sie auf die Sanktionsliste setzen können… Außerdem werden angesichts der sich entwickelnden engen Wirtschaftsbeziehungen Russlands mit dem größten Teil der Welt – sei es die BRICS-Gruppe oder andere – und angesichts der Selbstversorgung Russlands mit Ressourcen und der wachsenden Autarkie Russlands alle neuen Sanktionen kläglich scheitern. Sie werden jedoch eines bewirken: Sie werden die russische Entschlossenheit stärken, dem Westen zu trotzen und sich noch mehr auf die Autarkie zu verlassen und diese auszubauen.

Die westlichen Führer müssen wirklich ungebildet sein. Während des Zweiten Weltkriegs bombardierten Amerikaner und Briten mehr oder weniger regelmäßig deutsche Städte und machten sie dem Erdboden gleich. Die Alliierten setzten ihre Hoffnungen darauf, dass das deutsche Volk, das gemeine Volk, angesichts des enormen Leids, irgendwann den Glauben an den siegreichen Ausgang des Krieges verlieren und sich gegen die Obrigkeit auflehnen würde. Wie wir wissen, kam es nicht im Entferntesten zu einem Verlust der Moral oder der Bereitschaft zum Widerstand gegen die Alliierten. Das Gegenteil war vielmehr der Fall. Die Bevölkerung stand geschlossen hinter ihren Führern, auch wenn einige von ihnen diese nicht besonders schätzten. Lernt jemand etwas aus der Vergangenheit? Studiert jemand vergangene Ereignisse?

Mit all den natürlichen Ressourcen in seinem Territorium, mit einer gut entwickelten Industrie und Millionen von gebildeten Menschen kann Russland wirklich eine autarke Wirtschaft entwickeln. Wenn sich das Land zusätzlich auf die Hilfe von China, Indien, Iran, Brasilien, Vietnam und Kasachstan verlassen kann, dann sind alle Sanktionen der Welt zum Scheitern verurteilt. Warum sie dann verhängen?

Um das Gesicht zu wahren. Die westliche Welt befindet sich in einer ähnlichen Lage wie die amerikanische Demokratische Partei: Wenn die Partei erst einmal Joe Biden aufgestellt hat, fühlt sie sich gezwungen, an diesem Präsidentschaftskandidaten festzuhalten, auch wenn klar ist, dass er ein trauriger Anblick ist. Wer A sagt, muss auch B sagen.

Relevanz der jahrhundertealten Beobachtungen

“Die Deutschen haben schon lange vor …14 versucht, die in hartem Kampf geschmiedete Einheit des russischen Stammes zu zerstören. Zu diesem Zweck unterstützten und förderten sie im Süden Russlands eine Bewegung, die sich die Abtrennung ihrer neun Provinzen von Russland unter dem Namen Ukraine zum Ziel setzte. Das Bestreben, den kleinrussischen Zweig des russischen Volkes aus Russland herauszureißen, ist bis heute nicht aufgegeben worden. XY und seine Mitstreiter, die ehemaligen Schützlinge der Deutschen, die mit der Zerstückelung Russlands begonnen haben, führen weiterhin ihr böses Werk aus, einen unabhängigen “ukrainischen Staat” zu schaffen und gegen die Wiederbelebung des Vereinigten Russlands (Единая Россия) zu kämpfen.”

Kommt Ihnen das bekannt vor? Diese Bemerkung wurde vor mehr als hundert Jahren von General Anton Denikin gemacht, einem der vier bekanntesten Anführer des antibolschewistischen Russlands während des Bürgerkriegs von 1917 bis 1921. Die anderen drei waren Alexander Koltschak, Nikolai Judenitsch und Pjotr Wrangel. General Anton Denikin kämpfte einige Jahre lang im Süden des ehemaligen Russischen Reiches gegen die Rote Armee, musste aber nach einigen anfänglichen Erfolgen sein Vaterland verlassen. Zu dieser Zeit war der Westen sehr daran interessiert, Russland zu stören. Die beiden Revolutionen – die erste, die oft als bürgerliche Revolution bezeichnet wird, fand im Februar und die zweite, die bolschewistische Revolution, im Oktober 1917 statt – wurden mit Unterstützung und Segen der Westmächte ausgelöst. Die Briten waren an der Entthronung des Zaren im Februar 1917 beteiligt, die Deutschen unterstützten die bolschewistische Partei im Oktober 1917 maßgeblich: Die Anführer des Staatsstreichs, der im Oktober stattfinden sollte, wurden in einem versiegelten Zug von der Schweiz durch das kaiserliche Deutschland nach Schweden transportiert, von wo aus sie sich auf den Weg nach Petrograd machten (so wurde 1914 das deutsch klingende Sankt Petersburg umbenannt, nachdem Russland die Feindseligkeiten gegen Deutschland begann). Auch die Amerikaner trugen ihren Teil dazu bei.

Während Wladimir Lenin deutschen Schutz genoss und quer durch Deutschland reiste, wurde Leo Trotzki, der mit seiner Familie und seinen beiden Söhnen einige Jahre in New York verbracht hatte, die Überquerung des Atlantiks finanziert, um rechtzeitig in Petrograd zu sein und den russischen Staat zu stürzen. Nicht nur die finanzielle und politische Unterstützung half den Revolutionären aller Couleur, den Zusammenbruch des Reiches herbeizuführen: Auch nationale oder ethnische Ressentiments wurden ausgenutzt, wobei die Deutschen die Idee einer von den Russen getrennten ukrainischen Nation propagierten.

Zu dieser Zeit gab es eine Reihe von ukrainischen Führern, von denen Symon Petljura einer der bekanntesten war. Er wurde von den Deutschen und später vom wiedergeborenen polnischen Staat unterstützt. Die polnischen Truppen rückten zusammen mit einigen seiner ukrainischen Einheiten nach Kiew vor und besetzten es 1920 sogar für ein oder zwei Wochen. Ein wahrer Maidan, auch wenn er nur von kurzer Dauer war, oder? Dies sind die Ereignisse, auf die sich General Anton Denikin im Text am Anfang dieses Artikels bezieht. Das vollständige Datum, dessen Teil wir absichtlich gestrichen haben, war 1914, und die Buchstaben XY stehen für keinen Geringeren als Symon Petljura.

Im Jahr 2014 kam es zu einer Art historischer Wiederholung. Die westlichen Mächte machten sich in der Ukraine, vor allem aber in Kiew, bemerkbar und veranlassten den rechtmäßigen Präsidenten zur Flucht aus dem Land. Außerdem begann im Donbass ein schleichender Bürgerkrieg, während Russland als Reaktion auf all diese Ereignisse die Halbinsel Krim zurückeroberte, was alles zu dem acht Jahre später ausgebrochenen Krieg führte. Heute würde Anton Denikin vielleicht so etwas schreiben:

“Der kollektive Westen hat lange vor 2014 versucht, die in hartem Kampf geschmiedete Einheit des russischen Volkes zu zerstören. Zu diesem Zweck unterstützten und förderten sie in der Ukraine eine Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Ukrainer und Russen gegeneinander aufzubringen. Das Bestreben, den kleinrussischen Zweig des russischen Volkes aus Russland herauszureißen, ist bis heute nicht aufgegeben worden. Wolodymyr Selenskyj, Julia Timoschenko, Leonid Krawtschuk, Petro Poroschenko, Witalij Klitschko (sie könnten die Namen selber aufzählen)  und ihre Mitstreiter, die Schützlinge des Westens, die die Zerstückelung der Sowjetunion eingeleitet haben, setzen ihre böse Tat fort, einen unabhängigen “ukrainischen Staat” zu schaffen und gegen die Wiederbelebung des Vereinigten Russlands (Единая Россия) zu kämpfen.”

Der von Anton Denikin verwendete Begriff “Einiges Russland” (Единая Россия) überschneidet sich übrigens eins zu eins mit dem Namen der Partei “Putin”, die in dieser größten postsowjetischen Republik an der Macht ist. 

Auch diesmal sind es die Vereinigten Staaten, Deutschland und Großbritannien sowie Polen, die damit beschäftigt sind, die Ukrainer gegen die Russen auszuspielen. Auch dieses Mal haben sie den heutigen Petljura gefunden, der bereit ist, ihnen zu dienen. Auch heute wird ein Krieg geführt, und heute wie gestern sieht es so aus, als ob die Ukraine auf der Verliererseite steht. So ist es. Werden wir Zeugen einer weiteren historischen Wiederholung in…2114/2124?

Während des Zweiten Weltkriegs, nachdem die Deutschen die Sowjetunion angegriffen hatten, traten sie an General Denikin, der damals in Frankreich lebte, mit dem Vorschlag heran, das Dritte Reich gegen die Bolschewiki zu unterstützen. Anton Denikin war ein entschiedener Gegner der bolschewistischen Herrschaft in Russland, und das ist noch milde ausgedrückt. Dennoch hielt er es keinen Augenblick lang für richtig, sich mit den Feinden Russlands zu verbünden, nicht einmal mit Rotrussland. Anton Denikin lehnte dies strikt ab und warnte jene Russen – und insbesondere Ukrainer –, die bereit waren, dem Dritten Reich gegen die Bolschewiki zu dienen. Anton Denikin versuchte, sie davon zu überzeugen, dass sie in den Händen der Deutschen elende Werkzeuge sein würden, die man in dem Moment, in dem man sie nicht mehr brauchte, ausrangieren würde.

Es heißt, dass der Bürgerkrieg in der Sowjetunion 1922 – als Denikin, Wrangel und Judenich aus Russland vertrieben wurden, während Koltschak gefangen genommen und an die Wand gestellt wurde – nicht zu Ende ging, weil der Bürgerkrieg in Form von Ressentiments und einer tiefen Spaltung der sowjetischen Gesellschaft weiter schwelte. Er endete erst, als die Sowjetunion von Deutschland angegriffen wurde. Erst dann scharte sich die überwältigende Mehrheit der Sowjetbürger, egal welcher politischen Überzeugung, um die sowjetische Führung, um Russland zu verteidigen. Ist nicht seit 2022 in Russland das Gleiche geschehen? Selbst jene Russen, die Wladimir Putin nicht schätzten, änderten ihren Kurs und scharten sich um ihn. Der Krieg und vor allem die daraus resultierende Not sollten die Menschen gegen den Kreml aufbringen: Das Gegenteil ist der Fall. Sicher, es gibt einige, die ihr Land verraten haben – auch während des Zweiten Weltkriegs gab es einige, wie General Wlassow –, aber die Mehrheit hat ihre unerschütterliche Unterstützung für die Führung zum Ausdruck gebracht. Lernt jemand etwas aus der Vergangenheit? Studiert jemand die Vergangenheit?

Verbesserte Leibeigenschaft

Vor ein paar Jahrhunderten war das alles noch sichtbar. Ein Bauer – ein Leibeigener – war verpflichtet, etwa drei Tage in der Woche für seinen Grundherrn zu arbeiten, und er war verpflichtet, einen Teil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse seines Haushalts abzugeben. Der Umfang der Arbeit und die Menge der Erzeugnisse waren sichtbar und spürbar. Wenn ein Grundherr die Arbeitszeit seiner Leibeigenen zu seinen Gunsten verlängern oder ihnen mehr hätte wegnehmen wollen, als vorgeschrieben war, hätten die Leibeigenen rebelliert, denn es ging ums Überleben und um die Aufrechterhaltung des Lebensstandards. Ein Leibeigener brauchte die drei verbleibenden Tage, um für den Unterhalt seiner Familie zu arbeiten; der Leibeigene musste über den Rest der landwirtschaftlichen Erzeugnisse verfügen können, um das Überleben seiner Familie zu sichern. Wäre ein Leibeigener gezwungen gewesen, vier statt drei Tage zu arbeiten und mehr als üblich von seinen Erzeugnissen abzugeben, hätte er weniger für sich und seine Familie übriggehabt. Mit anderen Worten, wenn er genauso viel gearbeitet hätte wie vorher, hätten er und seine Familie weniger gehabt. Der Leibeigene hätte gewusst, wer die Schuld daran trägt.

Heute ist das alles praktisch unsichtbar. Eine Regierung druckt immer mehr Geld und verursacht damit Inflation. Die Regierung braucht die Steuern nicht zu erhöhen. Die Höhe der Steuern, die von den Arbeitnehmern erhoben werden, kann gleich bleiben. Doch aufgrund der Inflation können die Arbeiter oder heutigen Leibeigenen, obwohl sie genauso viel arbeiten wie vorher, immer weniger kaufen. Natürlich merken die heutigen Leibeigenen früher oder später, dass es ihnen schlechter geht, aber sie merken es erst spät, und – was noch schlimmer ist – es gibt keine Person, die ihnen namentlich bekannt ist, die daran schuld ist. Der Leibeigene von gestern hätte sich gegen seinen Grundherrn auflehnen können, und das hat er oft getan; der Leibeigene von heute kann sich auflehnen gegen… die Inflation, also gegen niemanden. Der Leibeigene von gestern hätte seinen Grundherrn mit einer Heugabel bedrohen können – und manchmal geschah das auch. Der Leibeigene von heute kann von Zeit zu Zeit seine Stimme abgeben, um die einen abzuwählen und die anderen ins Amt zu wählen, und als Ergebnis erhält er mehr vom Gleichen, was die Wirtschaftspolitik betrifft. Keiner der Politiker, die derzeit an der Macht sind, kann die Inflation stoppen, selbst wenn er es wollte. Die Kaufkraft des heutigen Leibeigenen wird ständig geschmälert, und obwohl der heutige Leibeigene nicht als Leibeigener, sondern als Bürger mit einem Bündel von Menschenrechten bezeichnet wird, kann er nichts dagegen tun, dass er der Früchte seiner Arbeit beraubt wird.

Historische Aufzeichnungen zeigen, dass die Preise über Jahrzehnte hinweg stabil waren. Unsere alltägliche Erfahrung lehrt uns, dass die Preise im Allgemeinen auf längere Sicht nur steigen können. Wenn sie sich einpendeln, dann nur für kurze Zeit, während sie über einen längeren Zeitraum betrachtet niemals fallen.