Gefira 46 # Säulen des Nahen Ostens

Die 46. Ausgabe des Gefira-Bulletins lenkt die Aufmerksamkeit unserer Leser auf den Nahen Osten oder genauer gesagt auf den Iran und Saudi-Arabien, die Länder, die einst von den Vereinigten Staaten beide als die (stabilisierenden) Säulen der Region bezeichnet wurden. Riad und Teheran, die einst als Hauptstädte der Monarchien zunächst freundlich gegenüberstanden, gingen seit der islamischen Revolution von 1979 getrennte Wege und wetteiferten um die Macht in der muslimischen Welt. Die Rivalität wird durch die Tatsache verstärkt, dass die iranische Bevölkerung überwiegend schiitisch, während die von Saudi-Arabien sunnitisch ist. Es gibt noch weitere Unterschiede. Riad ist proamerikanisch und proisraelisch, während Teheran sich unerschütterlich für die arabische Sache einsetzt. Der Iran und Saudi-Arabien führen einen Stellvertreterkrieg, indem sie in dem Konflikt in Syrien oder im Jemen entgegengesetzte Seiten unterstützen. Sie sind auch auf politische Partner angewiesen, die selbst Rivalen sind. Riad ist fast von Washington abhängig, Teheran schaut Richtung Moskau und Peking hin.

Obwohl der Iran seit vielen Jahren zum größten Teil wirtschaftlich und politisch isoliert und durch den langwierigen Krieg mit dem Irak geschwächt ist, hat er seine Position erstaunlich bewahrt, lokale und weltweite Mächte herausgefordert und seinen Kurs durchgehalten. Die Bevölkerung des Landes ist multiethnisch, was von den Feinden des Iran ausgebeutet werden kann, aber seine persische Mehrheit, obwohl sie von Zeit zu Zeit rebellisch sein kann, scheint dem gegenwärtigen politischen Establishment treu zu bleiben, was das gut besuchte Begräbnis von General Qasem, Soleimani, der von den Amerikanern heimlich ermordet worden war, bestätigt.

 

Gefira Financial Bulletin #46 ist jetzt verfügbar

  • Die Teilung in Schiiten und Sunniten
  • Ethnische Vielfalt ist für jedes Land ein Schwachpunkt
  • Der iranische Stern leuchtet hell
  • Die Zentralbanken erkrankten an Corona-Virus

China wird Euroasien regieren

Jeder Staat versucht möglichst viele Gewinne zu erwirtschaften. Die kommen zum größten Teil aus Steuern, die Zölle bleiben nach wie vor auch eine wichtige Einnahmequelle. Die den neoliberalen US-Eliten dienende Obama-Regierung schmiedete einen Plan zur Umzingelung Chinas im Asien-Pazifik-Raum namens TPP. Die Transpazifische Partnerschaft sollte China dazu bringen, seinen Markt völlig zu öffnen, auf Zölle zu verzichten und sein Recht an das amerikanische anzupassen. TPP wurde von vielen seinen Kritikern, merkwürdigerweise vor allem in Europa und in den USA, und nicht in China, angeprangert. Am bekanntesten ist wohl die Aussage von Julian Assange: „Sollte der Vertrag angenommen werden, wird das Marken-Regime der TPP auf Menschen- und Bürgerrechten herumtrampeln“TPP wurde nämlich dazu erschaffen, den US-Konzernen Vorsprung in Asien zu gewährleisten, indem die Souveränität, der daran teilnehmenden Länder begrenzt würde. Trump erkannte, dass Demokraten mit dem Projekt sich auf sehr dünnem Eis bewegten, kündigte den Vertrag und begann seinen Handelskrieg mit… Zöllen, was dem US-Budget beträchtliche Gewinne brachte. Beide Regierungen – Obamas und Trumps – realisierten und realisieren mit verschiedenen Mitteln jedoch dieselbe Strategie: Amerika muss Supermacht Chinas entgegenwirken. Die Strategie scheitert.

Chinas Plan der Neuen Seidenstraße widersetzt sich den amerikanischen Versuchen, die Rolle Pekings im Welthandel zu verringern. TPP funktioniert auch ohne USA und China ist von den daran teilnehmenden Ländern im Pazifik umzingelt. Japan, Vietnam, Brunei, Malaysia, Singapur bilden einen Halbkreis um das Südchinesische Meer, das im Handel mit dem Rest der Welt für China eine Schlüsselrolle spielt. Deswegen entschlossen sich Chinesen den Handel auf Schiene zu verlegen. Ein kühnes, riesiges und riskantes Projekt. Schauen wir uns es genauer an.

Der Hauptunterschied zwischen der Neuen Seidenstraße und TPP beruht darin, dass sie die anzubindenden Länder Asiens und Europas nicht zwingt, ihre Politik und Gesetze zu ändern. Die im Rahmen des großen chinesischen Projekts entstehenden Straßen und Zugstrecken werden nicht nur für China, sondern auch für die Länder von Vorteil sein, in denen sie verlaufen werden. Allerdings können sich hier die Chinesen derselben Methode bedienen, die westliche Länder überall in unterentwickelten Ländern anwenden, und die Länder von sich durch Kreditvergabe und Abhängigkeit von den chinesischen Unternehmen (z.B. von denen, die neue Infrastruktur warten werden) abhängig machen. Einerseits wird das Wachstum der Länder an der Neuen Seidenstraße angekurbelt, andererseits können sie leicht in die Schuldenfalle Pekings geraten. So übernahm Peking schon übrigens einen großen Hafen in Sri Lankaund kauft sich langsam Pakistan.
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Elektrofahrzeuge oder wie man die Nachfrage weltweit steigert

Eine gute Sache – Produkt oder Dienstleistung – verbreitet sich wie ein Lauffeuer, ohne dass darüber viel geredet wird, ohne viel Werbung, geschweige denn, jemand wird zu seinem Kauf gezwungen. So war es mit Autos, Radio oder Fernseher, DVD- oder CD-Playern, PCs oder Mobiltelefonen. Eine gute Sache wird von Menschen geschätzt und die Nachfrage danach ist natürlich und wächst. Werbung betrifft nur Marken, nicht aber die Sache, das Gerät an sich selbst. Wurden weltweit Maßnahmen zur Durchsetzung von PCs ergriffen? Wohl kaum. Die Attraktivität des Produkts, seine Nützlichkeit für Unterhaltung, Geschäftsleben oder Bildung konnten nicht überschätzt werden. Gleiches gilt für Mobiltelefone. Jeder wollte einen haben und schätzte die Vorteile, die das Gerät seinem Besitzer bot. Wie sieht es mit Elektrofahrzeugen aus?

Seit Jahren sind wir alle einer intensiven Propaganda ausgesetzt; Regierungen haben den Käufern von Elektroautos Zuschüsse versprochen, und die Menschen fühlen sich schuldig, wenn sie weiterhin Benziner, Diesel oder Gasfahrzeuge fahren wollen, weil sie angeblich die Umwelt schädigen. Das elektrische Transportmittel sei die Zukunft der Kommunikation ohne jegliche Alternative. Was kann man über diese hektischen und verzweifelten Maßnahmen der Elektrofahrzeuganbieter sagen?


Quelle: Wharton University of Pennsylvania.

Die Automobilindustrie ist eine der treibenden Kräfte der Wirtschaft. Im Großen und Ganzen konzentriert sie sich in nur sehr wenigen Ländern – Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Schweden – und bringt diesen Ländern ein enormes Einkommen und bietet Arbeitsplätze für Millionen ihrer Einwohner. Die Branche hatte sich jahrzehntelang entwickelt, bis sie einen Sättigungspunkt erreichte: In der westlichen Welt hatten in den achtziger Jahren alle, die wollten, ein Auto, und Familien besaßen oft zwei. Die Situation der Branche wurde aussichtslos. Unter solchen Umständen war der Zerfall des Sowjetblocks ein Geschenk des Himmels, ein Glücksfall, ein Segen. Plötzlich – von einem Tag auf den anderen – vergrößerte sich der Automarkt um ganz Osteuropa und die postsowjetischen asiatischen Republiken. Wenn Sie alt genug sind, werden Sie sich daran erinnern: Eine der ersten sichtbaren Veränderungen in den ehemaligen sozialistischen Ländern war das rasche Verschwinden von Ladas, Trabants, Wartburgs, Skodas, Dacias, Moskvitsches, Saporoshezs und, und, und. Sie wurden alle verschrottet, während eine Reihe westlicher Automarken Ostdeutschland, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Litauen, Lettland, Estland, Weißrussland, die Ukraine, Moldawien und Russland überflutete. Einerseits hat sich der Westen von seinem Bestand an alten Autos befreit (zu dieser Zeit wurden hauptsächlich gebrauchte Fahrzeuge östlich der Elbe gekauft), andererseits begann er, Ketten von Autohäusern für osteuropäische Kunden einzurichten, deren Träume sich endlich erfüllten: Sie konnten endlich einen Renault, Peugeot, Citroen, Audi, BMW, Volkswagen, Mercedes, Volvo, Toyota, Nissan oder Mazda besitzen. War es nicht eine Blütezeit für die westliche Automobilindustrie? Weiterlesen

No F *** king Around Coalition

oder wie ethnische, rassische, religiöse oder soziale Minderheiten revolutionäre (sprich: staatsgefährdende) Werkzeuge in den Händen der Manager der Welt sind. Wenn Sie glauben, dass es Lenin oder Mao waren, die die Machtergreifung siegreich durchgeführt haben, ohne dass jemand viel in sie, ihre Parteien und Kameraden investiert hat, dann denken Sie noch einmal darüber nach.

Im Juli dieses Jahres fanden in den Vereinigten Staaten zum großen Entsetzen der weißen Amerikaner zwei Märsche statt, die aus Schwarzen bestanden, bewaffnet mit Angriffswaffen, maskiert und in schwarze Militärausrüstung gekleidet: einer im Stone Mountain Memorial Park (4. Juli) und der andere in Louisville, Kentucky (25. Juli). Sie wurden von dem organisiert, was sich selbst als No F *** king Around Coalition (NFAC) nennt und von John Grandmaster Jay Johnson geführt wird. So nennt er sich zumindest. Aus den wenigen zusammenhanglosen Aussagen, die Großmeister Jay gnädig abgegeben hat, kann man erfahren, dass die NFAC gegen den systemischen Rassismus (wie üblich), gegen weiße Gewaltakten (wie oft haben wir das gehört?) protestiert und sogar ein separates Territorium für Schwarze fordert. Texas ist eine Option.


Quelle: Roland S. Marin, YouTube.

Das sind die Fakten, das sind die Ereignisse. Nun ein paar Beobachtungen. Weiterlesen

Nord Stream 2 spaltet die westliche Welt

Wenn wir die aktuelle Situation verallgemeinernd darstellen sollten, würden wir das folgende vereinfachte Bild erhalten: Die Europäische Union ist in zwei Lager aufgeteilt: die alten und die neuen Mitgliedstaaten. Der Westen ist durch den Atlantik aufgespaltet: es ist – grob gesagt – Washington gegen Paris und Berlin. Die Welt ist in drei rivalisierende Großmächte aufgespaltet: die Vereinigten Staaten (starke Armee und starke Wirtschaft), Russland (starke Armee, schwache Wirtschaft) und China (schwache Armee, starke Wirtschaft). Westeuropa gravitiert mehr nach Russland, als nach Osteuropa; Osteuropa fühlt sich hingegen mehr von den USA angezogen, als von Westeuropa.

Die Sachlage auf dem alten Kontinent ist wie folgt.
[1] Deutschland braucht eine stabile Energieversorgung mit Erdgas und von vielen möglichen Versorgern hat es sich für Russland entschieden, weil
[2] Russland hat große Erdgasressourcen und benötigt Devisen, so ist es bereit, seine Rohstoffe jedem zu verkaufen.
[3] Deutschland und Russland haben ein Handelsabkommen geschlossen, infolgedessen eine Pipeline auf dem Ostseegrund gebaut wurde: Nord Stream 1.
[4] Da die Kapazität der Pipeline nicht genügend war, um die Nachfrage aus Deutschland und anderen westlichen Ländern zu decken, wurde ein weiteres Abkommen – Nord Stream 2 – unterzeichnet, kraft dessen eine weitere Pipeline auf dem Ostseeboden verlegt wird. Die Arbeiten daran werden bald fertig.
[5] Beide Erdölleitungen haben osteuropäische Länder – Ukraine, Polen, Tschechien und Slowakei – aufs Eis gelegt, was für sie einen Alarmzustand bedeutet, weil Russland bald den Gashahn an der Yamal-Pipeline (die durch Polen und Weißrussland läuft) und an der Pipeline „Freundschaft“ (durch Tschechien, die Slowakei und Ukraine), zudrehen kann, ohne dass dabei die westeuropäischen Länder beeinträchtigt wären. Somit wird die ökonomische Solidarität der EU bedroht. Weiterlesen

Die Ottomanen kommen!

Der gut orchestrierte arabische Frühling, der viele Regierungen in einigen Ländern stürzte, traf auch Libyen, ein Land, das zweiundvierzig Jahre lang von Muammar Gaddafi regiert wurde, unter dessen Führung das Volk des Landes als das wohlhabendste im ganzen Afrika galt. Der darauffolgende und bis jetzt nicht beendete Bürgerkrieg schuf ein Machtvakuum mit verschiedenen Akteuren, die um die Kontrolle über das Land wetteifern, das reich an Rohöl und Erdgas ist. Aus den fast zehn Jahren des Konflikts sind zwei große Rivalen hervorgegangen: die in Tripolis ansässige Regierung der Nationalen Übereinkunft (GNA) und der in Tobruk ansässige Abgeordneter Rat (englisch: HoR, arabisch: DMG). Ersteres wird von der Türkei und den Vereinten Nationen unterstützt, die übrigens zur Bildung der GNA beigetragen haben, während letzteres von Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Ägypten gefördert wird.

Spielstein der Türkei in dem Spiel um Libyen tauchte im richtigen Moment auf, um die Waagschale des Sieges zu Gunsten der GNA zu neigen. Bis Ankara sich an die Auseinandersetzung anschloss, hatte die von General Khalifa Haftar, dem Anhänger der HoR, kommandierte libysche Nationalarmee (LNA) den größten Teil des Landes erobert und war dabei, auf Tripolis vorzustoßen. Die türkische Intervention kam gerade rechtzeitig, um die GNA zu retten und die sich annähernden Einheiten der LNA auf ihre vorherigen Positionen zurückzuwerfen. Warum interessiert sich Ankara eigentlich für die Region?

Libyen (d.h. drei Provinzen: Tripolitanien, Fessan und Kyrenaika) war jahrhundertelang ein Teil des Osmanischen Reiches, daher werden die politischen Entscheidungsträger der Türkei natürlich von den Regionen angezogen, in denen die türkische Herrschaft einen historischen Präzedenzfall hatte. Sie versuchen, ihren Einfluss auch auf dem Balkan auszudehnen – Einfluss auf Bulgarien, sowie Bosnien und Herzegowina mit ihren bedeutenden muslimischen oder türkischen Minderheiten, auf Albanien, das überwiegend muslimisch ist, ebenso wie auf Aserbaidschan im Kaukasus, auf Syrien und auf den Irak und in letzter Zeit auf Libyen. Die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan versucht immer intensiver, ihre internationale Einflusszone auszubauen und sich von den Beschränkungen zu befreien, die ihr die Westmächte nach dem Ersten Weltkrieg auferlegt hatten, insbesondere in Form des Vertrags von Lausanne aus dem Jahr 1923, der Ankaras Kontrolle über die Bosporus- und Dardanellenstraße und damit ihre Souveränität beschränkte. Um diese Restriktionen loszuwerden, hat die Türkei die Doktrin „Blaues Vaterland“ (Mavi Vatan) ausgearbeitet und umgesetzt, die die Ausweitung der maritimen ausschließlichen Wirtschaftszonen des Landes vorsieht.


Abkommen zwischen der Türkei und Libyen über Seegrenzen, das Blaue Vaterland der Türkei (Mavi Vatan) und die Grenzen der AWZ im östlichen Mittelmeerraum. Quelle: reddit.
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