In Italien herrscht eine kognitive Unstimmigkeit, wenn es um die Migrationskrise geht. Sowohl die Politiker, als auch Mainstream-Medien, seien sie links- oder rechtsorientiert, Verfechter der Globalisierung oder „Populisten”, beschuldigen andere europäische Länder ihrer angeblich mangelnder Solidarität – die Länder wollen 180 000 Menschen, die Italien im vorigen Jahr einließ, nicht aufnehmen. Es ist keine Schuld der Visegrád-Gruppe. Beim EU-Treffen in Tallin hörte die italienische Regierung vom französischen Präsidenten ein „Non” dazu. Er begründete seinen Standpunkt mit dem Argument, dass 80% der Ankömmlinge ökonomische Migranten seien,ein politisch korrekter Ausdruck für illegale Migranten, die ausgewiesen werden sollen; sie hörte auch ein „No’’ von Spanien und ein „Nein’’ von Österreich und von anderen Teilnehmern.
Der Standpunkt der Europäischen Kommission bleibt unverändert: Italien soll die Verteilung der Migranten in andere Länder beschleunigen, wobei es sich auf die Hilfe der EU verlassen kann.
Es sieht danach aus, als gäbe es keine Solidarität mehr, trotzdem gab es einen Aufschrei der Medien und Politiker, unabhängig von ihrer Orientierung: „Europa hat uns verlassen!’’ oder „Sie haben uns im Stich gelassen!”Als gäbe es in Italien eine Naturkatastrophe und das Land nicht selbst dafür verantwortlich wäre, was im Land passiert. Kann es eine noch größere Entfremdung von der Realität geben?
Die „populistische” Fünf-Sterne-Bewegung (Movimento 5 Stelle) zeigte den Knackpunkt des Themas. Sie entdeckte nämlich eine Aufnahmemit Emma Bonino, der ehemaligen Ministerin für Auswärtiges, die zusagte, dass Italien es bewilligte, dass jede von Frontex gerettete Person nach Italien gebracht wird. Es kommt also endlich ans Licht: alle Migranten wurden nach Italien geschickt, weil… die italienische Regierung so beschlossen hatte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der damalige Ministerpräsident Matteo Renzi die Flexibilität der Europäischen Kommission zur heiklen Frage des italienischen Staatsbudgets als Gegenleistung für Aufnahme aller von Frontex auf internationalen und italienischen Gewässern übernommenen Migranten aushandelte. Weiterlesen