Militärische Feindseligkeiten waren früher das letzte Argument der Herrscher. Die Kanonenrohre trugen die Inschrift ultima ratio regum (in Frankreich) oder ultima ratio regis (in Preußen). Das hat sich ein wenig geändert. Da die Kriegsführung zu einem sehr kostspieligen Unterfangen geworden ist und vor allem, da eine Reihe von Staaten über Atomwaffen verfügt, deren möglicher Einsatz unvorstellbare Verwüstungen anrichten und große Teile des Territoriums für die Siegermacht unbrauchbar machen könnte, greifen die heutigen Herrscher mehr und mehr auf weiche Taktiken zurück, die – trotz ihres Namens – ebenso effizient oder sogar effizienter sind als Feuerwaffen. Ist die Sowjetunion nicht durch die sanfte Penetration, Infiltration und Subversion des Westens zusammengebrochen? Der kollektive Geist der sowjetischen Führung befand sich im Fadenkreuz des finanziellen, philosophischen, politischen und kulturellen Einflusses, den die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Deutschland und kleinere Akteure auf sie ausübten. Das Ergebnis war mehr als beeindruckend: Weder Karl XII. von Schweden im 18. Jahrhundert, noch Napoleon Bonaparte im 19. oder Adolf Hitler im 20. Jahrhundert gelang es, Russland auch nur annähernd so zu schwächen, wie es der Sowjetunion 1991 und danach erging. Das Territorium der Supermacht wurde erheblich verkleinert, neue unabhängige Staaten entstanden, und Russland selbst wurde in ein Jahrzehnt wirtschaftlichen Chaos und politischer Unruhen gestürzt, die in ihrem Ausmaß nur noch vom Bürgerkrieg in den frühen zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts übertroffen wird, wenn man nur die moderne Geschichte betrachtet. Der Kampf um die Köpfe ist sicherlich nicht so spektakulär wie das Aufeinandertreffen von Panzern oder die Luftkämpfe von Flugzeugen, und er erstreckt sich über einen viel längeren Zeitraum, aber dennoch ist sein Ergebnis mehr als zufriedenstellend.
Die chinesische Führung hat ihre Lehren aus dem Zerfall der Sowjetunion gezogen und hat die staatlichen Angelegenheiten vor und vor allem seit dem Aufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 fest im Griff. Peking ist sich der psychologischen Infiltration, Durchdringung und Subversion der chinesischen Bevölkerung aus dem Ausland sehr wohl bewusst und hat daher das nationale Internet vom globalen Netz abgeschnitten und ist in jüngster Zeit hart gegen die Unterhaltungsindustrie vorgegangen und die Kontrolle über die Computerspiele und Fernsehprogramme übernommen, denen die chinesische Jugend ausgesetzt ist. Das ist ein weiteres Beispiel für den Kampf um die Köpfe. Die Europäische Union steht in Sachen psychologischer Krieg nicht hinterher.
Im Jahr 2015 hat die East StratCom Task Force der EU ihr Vorzeigeprojekt – wie sie es selbst nennt – mit dem Namen EUvsDisinfo ins Leben gerufen, eine Einrichtung, die “Desinformationsfälle identifiziert, zusammenstellt und aufdeckt, die von kremlfreundlichen Medien ausgehen und in der EU und den Ländern der Östlichen Partnerschaft verbreitet werden.” Im Rahmen dieses Projekts werden auf einer der Registerkarten Nachrichten aus den oben genannten Quellen zitiert – weiß auf schwarz – und eine Widerlegung präsentiert: schwarz auf orange. An anderer Stelle wird eine ganze Analyse angeboten, eine Analyse, die einen als Propaganda des Kremls erkannten Text vernichtend kritisiert. Wenn man sich die Hunderte von angeblich entlarvten Informationen und ihre Quellen ansieht, kann man fast sofort erkennen, dass EUvsDisinfo die meiste Zeit Sputnik im Visier hatte. Alles, was gegen den Post-Westen, die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und sogar gegen Personen wie George Soros in den mit Moskau verbundenen oder als russlandnah geltenden Medien geschrieben wird, wird von EUvsDisinfo angegriffen, das – natürlich! – als eine absolut objektive Quelle der Wahrheit auftritt. Nehmen wir das folgende Beispiel. Weiterlesen